Familienchronik der Scheibenreif

Familienchronik der Scheibenreif

von

Franz Scheibenreif

Oberlehrer Franz Scheibenreif

Einleitung

Nach Beendigung meiner Orts- und Hauschronik von Trattenbach drängte sich mir angesichts der drohenden „Arbeitslosigkeit“ die Frage auf: „Was nun?“ Aus der Schulzeit war mir kein Spruch als Schönschreibstoff so lebhaft in Erinnerung als „Müßiggang ist aller Laster Anfang.“ Wenn ich mir auch zutrauen durfte, dass mir der Müßiggang in dieser Hinsicht nicht mehr gefährlich werde, so hielt ich vom Müßiggang doch so viel, dass er nicht nur Langeweile verursacht, sondern das Leben direkt verkürzt und eines Menschen, der körperlich und geistig arbeitsfähig ist, unwürdig ist. Diese Erwägungen reiften in mir den Entschluss, meinen Lebensabend damit auszufüllen, eine Fami­lienchronik im weiteren Sinne anzulegen und chronikalische Daten über meine Heimat Flatz und St. Lorenzen zu sammeln. Es ist dies zwar eine sonderbare Idee, weil Familienchroniken sonst nur in hochangesehenen Häusern mit berühmten Mitgliedern und hohem Alter üblich sind, nicht aber in gewöhnlichen Lehrerfamilien oder Bauernhäusern, aus denen ich stamme. Trotzdem will ich mich daran wagen, wenn unser Geschlecht auch kein so hohes Alter aufweist und durchaus nicht zu den berühmten gehört. Wenn es keine große Chronik wird, so wird es halt eine kleine, welcher Unterschied auch in vielen anderen Fällen besteht. Ich gebe mich der Hoffnung hin, dass sie unter ihresgleichen mit Ehren besteht.

Vorwort:

Mein Großvater Anton SCHEIBENREIF, 1904 geb., schenkte mir vor Jahren eine Stammbaumtafel aus dem Jahre 1928. Zuerst legte ich diese zur Seite, wohl wissend, dass dieses Dokument eine Seltenheit darstellt. Mit der Zeit aber angeregt durch seine Schilderungen, interessierte ich mich immer mehr für vergangene Zeiten, für die Art und Weise des täglichen Lebens und die damit verbundenen Sorgen.

So kam es, dass ich vom Verfasser dieses Stammbaumes auch die in Schulheften niedergeschrieben Texte

„Familienchronik der Scheibenreif“

und

„Franz Scheibenreif  1862 bis 1936“

zu Gesicht bekam und las. Beide Werke stellen einen Grundstock an Wissen unsere Sippe betreffend dar. So kam mir der Gedanke, dass man mit heutigen Mitteln diese Werke neu erfassen, bearbeiten und interessierten Verwandten zur Verfügung stellen sollte.

Es wäre schade, dieses doch recht einmalige Werk in Vergessenheit geraten zu lassen.

In diesem Zusammenhang muss ich besonders meinen Schwager Martin Hausmann hervorheben, der gleichsam interessiert nicht nur seinen Ursprüngen nachforschte, sondern auch betreffend der Scheibenreif tätig wurde und zum Teil sowohl selbst, als auch mit mir die Schriften mühsam von der Kurrentschrift in die Textverarbeitung des Computers übertrug.

Ich denke, dass dies nur ein Anfang sein kann. Mein Ziel ist, angeknüpft an die Schriften unseres Vorfahren Franz Scheibenreif, die Vervollständigung bis heute. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass dies umso schwieriger ist, je mehr Nachkommen zu erfassen und für die Idee zu begeistern sind.

Neben der Bearbeitung und Auswertung der geschrieben Familiengeschichte erfasste ich die Stammbaumdaten per Computer mit einem eigens dafür vorgesehen, aus den USA stammenden Programm, welches die Familienbande sinnhaft darzustellen und zu verknüpfen versteht.

Ich möchte letztendlich ein Gesamtwerk verfassen, welches vollständig und übersichtlich unsere Familiengeschichte darzustellen imstande ist. Dazu gehören freilich auch Fotos, sowie Geschichten aus dem Leben vieler Verwandter. Dazu bedarf es aber viel Zeit und Geduld. Niemand ist sofort zu begeistern, wenn man mit einer diesbezüglichen Bitte an ihn herantritt. Ich gebe mich trotzdem der Hoffnung hin, dass es mir gelingt das große Vorhaben zu verwirklichen und das Lebenswerk des Franz Scheibenreif damit zu erhalten und fortzuführen.

Die Vorfahren der heutigen Scheibenreif

Das Geschlecht der Scheibenreif ist besonders im Bezirk Neunkirchen, aber auch darüber hinaus im Gebiet der Hohen Wand, im Piestingtal, in einigen Orten des Steinfeldes und sogar in Wien verbreitet. Mit Ausnahme des Piestinger und Wiener Zweiges lassen sich der Ursprung und die Abstammungen des Ge­schlechtes auf einen seinerzeit in Flatz sesshaften Stammvater Matthias Scheibenreif zurückführen, welcher nach der Pfarrmatrik von St. Lorenzen im Jahre 1768 die Bauerntochter Elisabeth Lang, Flatz Nr. 23, geheiratet hatte, da selbst bis 1794 Bauer war und in diesem Jahre im Alter von 52 Jahren starb. Woher aber kam dieser Stammvater?

Dies erfahren wir aus der gleichen Matrik, welche angibt, dass Matthias Scheibenreif, ledigen Standes, ein Sohn von Josef und Elisabeth Scheibenreif aus Nöthing (heute Netting, Bezirk Wiener Neustadt) war. Nach der Altersangabe war Matthias daselbst im Jahre 1742 geboren. Der Vater stand im Mannesalter und schien hiernach zu schließen, um 1700 geboren zu sein. Eine weitergehende Erforschung der Abstammung Josefs lässt der Mangel der zutreffenden Kirchen­matriken nicht zu. Sie kann jedoch an Hand der Urbarien jener Zeit, wenn auch nur mit einem hohen Wahrscheinlichkeitsgrade, weiter zurückverfolgt werden.

Im Grundbuch der Herrschaft Kranichberg, Amt Otterthal und Kirchberg, aufgesetzt vom Pflegsverwalter Jakob Obergauer, vom 1. Jänner 1678 bis 1714, , kommt unter den Inhabern von Überlandgrundstücken auch vor:

Wolfgang Scheibenraiff, Neukloster Unterthan zu Ödting, gibt von 2 Weingärten, so 6 Tagwerk große Maß, sein im Prosset, Tachensteiner Freiheit, welche er von der Herrschaft Kranichberg am 28. April 1677 erkauft hat, per 42 Fl., Dienst 20 Pfennig.

In späterer Zeit angefügt:

Paul Scheibenreif und Michael Scheibenreif, die zwei Brüder haben ob bemeldte 6 Tagwerk Weingarten und gibt der Michel auch 2 Tagwerk zweiter Nachschrift. Ein zweiter Weingarten mit 3 Tagwerk ist dem Paul Scheibenreif am 11. November 1689 geschenkt worden.

Wie aus der obigen Darstellung leicht zu entnehmen ist, waren Paul und Michel die Söhne des Wolfgang, welche die Weingärten nach des Vaters Abgang zwischen 1678 und 1689 übernommen hatten. Später – 1689 – erhielt erst Paul den einen Weingarten geschenkt. Die Ortsangabe „Ödting“ lässt wohl keinen Zweifel darüber übrig, dass darunter „Netting“ gemeint ist. Was endlich die Zeit betrifft, so berechtigt sie vollkommen zur Annahme, dass die beiden Brüder die Besitzvorgänger des Josef Scheibenreif waren, und der eine von ihnen der Vater des selben war. Damit wäre die Kette der Abstammung bis zum 17. Jahrhundert zurück aufgedeckt. Naturgemäß gestaltet sich die Erforschung der Herkunft um so schwieriger, je weiter sie zurückgeht, besonders wenn sie lückenlos sein soll, so auch hier.

Durch das ganze 16. Jahrhundert zurück fehlt jede Spur von dem Vorhandensein unseres Geschlechtes. So forschte ich weiter durch das 15. Jahrhundert.

Da stieß ich auf einen merkwürdigen Fund.

Die Traibenreiff

Die Wiener Nationalbibliothek besitzt ein Urbar des Klosters Göß von Steiermark, dessen Existenz erst in neuerer Zeit bekannt wurde. Dieses Urbar wurde von dem Äbtichin Anna von Herbersdorf in den Jahren 1459 bis 1462, wahrscheinlich nach einem älteren Original, angelegt und galt als Rechtsquelle und Handbuch bei Besitzansprüchen. Das Kloster Göß besaß hiernach bei Würflach, Hettmannsdorf, Gerasdorf, Willendorf, Raglitz, Flatz und Mahrersdorf, 1o5 Weingärten, die an Einwohner dieser Gebiete vergeben waren.

In diesem Urbar kommen folgende Namen vor, und zwar:

Folio 182

Item Jörigl Traibenreif dient von einem Weingarten 1 Emper Most, 1 Huhn.

Item Sigl Fleischhacker von Neunkirchen, nun Christian Treibenreif, dient von einem Weingarten 1 Emper Most.

Folio 184

Item Heinreich Traibenreif, nun Jakob Gerung, nun Wolfgang Traibenreif, dient von ein Weingart genannt der Goldfuß, 3 Quarter Most. Item Jeronimus Treybenreif von 1 Weingart 1 Emper Most.

Folio 185

Heinraich Treibenreif, nun Meister Michael Maurer in der Neuenstadt von 1 Weingart, genannt der Saurfüßl, 1 Emper Most.

Folio 186

Item Gilig bei dem Freithof zu St. Gilgen von einem Weingart, hat vorgehabt Paul in dem Tiefental und Heinreich in der Scheiben 3 Quartale Most.

Folio 188

Herr Hans Eberl von ein Hof 72 d, 2 Metzen Habern, 2 Hühner, dient ihm zu Hilf der alt Treibenreif von ein Baumgarten, so vor des ein Acker gewesen, jährlich 1 Metzen Habern. Item Jörigl Treibenreyf von 1 Weingarten 1 Emper Most. Item Hans Has und sein Sun, nun Heinrich in der Scheiben, sein Aydam von ein Hof 3 ß.

Treibenreif in der Weingegend in Gerasdorf, Willendorf, Würflach, Scheibenreif in Netting, in nächster Nähe! Dazu Treibenreif und Scheiben! Die Ähnlichkeit der Namen, die Nähe der Wohnsitze, beide fordern zu Vergleichen, zur Gegenüberstellung, heraus.

Im Urbar 1462 lauter Treibenreif, im Urbar 1672, in derselben Weingegend lauter Scheibenreif, und kein einziger Treibenreif, mit der Zeitdifferenz von 200 Jahren. Sollen die vielen Treibenreif alle ausgestorben und die Scheibenreif alle neu eingewandert sein, gerade in die Wohnsitze der ehemaligen Treibenreif? Liegt hier nicht der Fall der Verschmelzung der beiden alten Namen Scheiben und Treibenreif in den späteren Namen Scheibenreif au­genfällig vor? Und ist die Annahme, dass die Treibenreif und die Scheibenreif ein und dasselbe Geschlecht sind, nicht einfacher und natürlicher als jede andere These? Derlei Sprachwandlungen sind durchaus möglich und stehen besonders bei Namen nicht vereinzelt da. Man braucht nur daran zu denken, wie manche Namen von verschiedenen Menschen verschieden ausgesprochen werden und wurden, und wie in früheren Zeiten von den Matrikenführern und Herrschaftsbeamten nur nach der Aussprache eines Einzelnen geschrieben wurde.

Ich verweise nur auf die abweichenden Schreibweisen von Namen aus meiner Orts- und Hauschronik von Trattenbach: So Haßleben, Häsling, Haßling; Ködergast, Röttengast, Kerngast; Rauchenhofer, Raumhofer, Währhof, Pirnhof; Blochberger und Blauberger.

Deutung des Namens

Welche Deutung lässt nun der Name Scheibenreif zu? Um dies zu erfahren, braucht man nur das Wort in seine Teile zu zerlegen. Scheiben, Dialekt­form von Scheibe, und Reif. Die Scheiben ist ein kreisrunder Körper, wie eine Zielscheibe, oder ein Rad, jedoch voll, wie der Abschnitt von einem runden Baumstamm, welcher in den ältesten Zeiten die primitive Urform eines Rades darstellte. Tatsächlich nennt man in manchen Gegenden heute noch das Rad Scheiben. Um dieser eine größere Festigkeit zu geben, versah man sie mit einem eisernen Reif. Die Aufgabe des heutigen Radreifes erfüllte früher der Scheiben – Reif. So lässt sich der Sinn des Namens deuten. Schwieriger ist die Deutung des Namens Treibenreif, bei dem der Sinn des ersten Wortes Treiben nicht mehr bekannt ist. Es muss angenommen werden, dass es ehemals auch irgend einen Sinn hatte, denn sinnlose Wörter dürften die Alten wohl nicht zur Namengebung verwendet haben. War aber das Wort im Laufe der Zeit unverständlich geworden, so musste es aus dem Sprachgebrauch allmählich verschwinden. War der Sinn des Wortes verlorengegangen, so war es wieder naheliegend, dass das Volk in seinem Streben, ein solches Wort verständlich zu machen, es entsprechend umwandelte und aus dem unverständlichen Traibenreif ein verständliches Scheibenreif bildete, bei dem es sich etwas vorstellen konnte.

 Ausbreitung

 Wir sehen also, dass das Geschlecht der Scheibenreif. schon seit mehr als 500 Jahren in diesem Gebiete einheimisch ist und sich wahrscheinlich auch nach anderen Seiten der Hohen Wand ausbreitete. Es lässt sich eigentlich nicht feststellen, wo der älteste Stammsitz war, und es wäre eine lohnende Aufgabe festzustellen, wie weit sich der heutige Ausbreitungsbezirk des Geschlechtes erstreckt, oder wo es zum ersten Male auftrat. Nach der Vermehrung des Flatzer Stammes zu schließen, sind die Scheibenreif ein ausdauerndes, ausbreitungsfähiges und kernhaftes Geschlecht, das sich jedoch fast ausschließlich zu den unteren Ständen, wie Bauern, Handwerkern, Geschäftsleuten und Arbeitern berufen fühlt. Selten kommen Vertreter des Geschlechtes in den Intelligenzberufen vor, womit durchaus nicht gesagt sein soll, dass seine geistigen Veranlagungen und Fähigkeiten geringer wären als bei anderen Geschlechtern. Das dies nicht der Fall ist, zeigt besonders die große Ausbreitungsfähigkeit des Flatzer Stammes.

Der Flatzer Stamm

  1. Matthias

Am 26. Jänner 1768 fand in der Pfarrkirche St. Lorenzen die Trauung des Matthias Scheibenreif aus Nöthing (heute Netting), ledigen Standes, Sohn des Josef und der Elisabeth Scheibenreif in Netting mit der Elisabeth Lang in Flatz, ledigen Standes, eheliche Tochter des Leopold und der Magdalena Lang, Mitnachbarn in Flatz, statt. Dies war das erste Auftauchen des Scheibenreifstammes in Flatz, denn Matthias blieb nun hier als Bauer und Besitzer des Hauses Nr. 23. Wenn die Hausnummer in der Aufkündigungsformel nicht angeführt wurde, so rührte dies davon her, dass es damals noch keine Hausnummern gab. Sie wurden erst 1770 eingeführt. Wie aber kam Matthias aus dem weit entlegenen Netting nach Flatz und gleich auf ein Bauernhaus? Das Haus des Vaters Josef Scheibenreif in Netting war jedenfalls von mäßiger Größe und die erwachsenen Söhne, wahrscheinlich waren ihrer mehrere, mussten sich auswärts um Erwerb umsehen. So brachte sich Matthias durch Kalkbrennerei in näherer und weiterer Umgebung fort, welche Beschäftigung ihn schließlich nach Flatz verschlug. Als Kalkbrenner lernte er die Töchter des Bauern Leopold Lang kennen, deren es sieben gegeben haben soll. Unter ihnen fand besonders Elisabeth sein Wohlgefallen, mit der er am obigen Tage zur Hochzeit und zur Hausübernahme kam. Fast zur selben Zeit heiratete ein Verwandter des Matthias, Namens Josef Scheibenreif, auch aus Netting, auf das Haus Flatz Nr. 21, welches aber bald wieder in andere Hände überging. Andere Zweige wurden in Rohrbach und Mollram ansässig, ohne sich dauernd behaupten zu können. Matthias aber wurde der Stammvater eines ausgebreiteten Geschlechtes.

Aus seiner Ehe gingen acht Kinder hervor:

Maria, geb. am 16. August 1769, heiratete am 2. September 1794 Johann Steiner in Würflach.

Barbara, geb. am 19. November 1771, heiratete am 3. Februar 1796 den Sebastian Windbacher Nr. 14.

Leopold, geb. am 10. November 1773, starb am 26. Februar 1784.

Philippus, geb. am 29. April 1776, starb am 23. Februar 1779.

Michael, geb. am 29. September 1778, wurde Nachfolger.

Clara, geb. am 5. August 1781, heiratete Jakob Laferl in Mahrersdorf Nr. 3.

Johannes, geb. 24. Dezember 1785, starb am 7. August 1789.

Anton, geb. 13. Dezember 1787, heiratete am 14. Februar 1812 auf das Haus Nr. 3.

Aus seiner Wirtschaftszeit ist wenig bekannt. Soviel kann wohl mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden, dass das Anwesen damals noch zu den mittel­großen Bauerngütern gehörte und in baulicher Hinsicht das damalige Mittelmaß noch nicht übertraf. Jedoch genoss Matthias unter seinen Mitnachbarn Achtung und Sympathien, denn er bekleidete längere Zeit das Amt eines Richters. Er starb auch als solcher am 28. März 1794 im 52. Lebensjahre, sein Weib Elisabeth fünf Wochen später am, 2. Mai 1794, 48 Jahre alt.

  1. Michael

Beim Tode seiner Eltern war Michael erst 15 1/2 Jahre alt. Da die älteste Tochter Maria noch im selben Jahre vom Hause weg heiratete, waren die übrigen vier Kinder, sämtliche noch minderjährig, zur Übernahme der Wirtschaft unfähig. Es ist daher anzunehmen, dass für die unmündigen Doppelwaisen bis zu ihrer Mündigkeit ein Kurator bestellt wurde, der auch die Wirtschaft zu führen hatte. Allem Anschein nach aber reifte Michael frühzeitig in seine Bestimmung als Bauer und Hausvater hinein. Denn nur so lässt sich erklären, dass sowohl der Kurator, wie als auch die Herrschaft die Zustimmung zu seiner am 3. Februar 1796 erfolgten Verehelichung mit der Theresia Aichberger, Tochter des Thomas Aichberger in Flatz Nr. 1 erteilten, als er erst 17 Jahre 4 Monate, die Braut noch nicht ganz 18 Jahre, zählte.

Das war wohl ein selten junges Brautpaar! Zugleich mit ihm heiratete am selben Tage seine 25jährige Schwester Barbara den Bauern Sebastian Windbacher, Nr. 14. Michael wurde der hervorragendste Vertreter der Dynastie. Unter ihm nahm das Haus nach Umfang und Ausbau den größten Aufschwung, so dass es das größte Anwesen in der Gemeinde wurde und alle anderen weit überragte. Und noch mehr überragte er alle anderen Mitbürger der Gemeinde an allgemeinem Ansehen.

Schon in jungen Jahren wurde er zum Richter gewählt, welches Amt er fortan behielt, solange er Bauer war. Denn auch bei der Herrschaft Stixenstein, beim Ver­walter und beim Grafen Hoyos genoss er das größte Vertrauen, Achtung und Respekt und wurde in vielen wichtigen Dingen zu Rate gezogen. In der Gemeinde schaltete er unumschränkt als wirklicher oberster Richter, dem sich keiner zu widersetzen wagte.

Ließ sich manchmal einer der Bauern etwas zu Schulden kommen, oder wurde nachlässig in der Wirtschaft, so kanzelte er ihn herunter wie einen Schulbuben. Ihm war die ganze Gemeinde untertan, wie die Mitglieder einer Familie dem Hausvater. So patriarchalisch war sein Verhältnis zur ganzen Gemeinde.

Aus seiner Ehe entsprossen folgende Kinder:

Elisabeth, geb. 19. November 1796, wahrscheinlich als Kind gestorben.

Johann, geb. 27. Dezember 1797, heiratete am 29. Jänner 1826 auf das Haus Flatz Nr. 11.

Magdalena, geb. 26. Mai 1800, als Kind gestorben.

Magdalena, geb. 13. Juli 1802, heiratete am 9. April 1826 auf das Haus Mah­rersdorf Nr. 9.

Matthias, geb. 22. November 18o4, heiratete am 10. Februar 1833 auf das Haus Flatz Nr. 27.

Anton, geb. 11. Mai 1807, heiratete am 6. Februar 1830 auf Reith Nr. 5.

Lorenz, geb. 4. August 1811, wurde Nachfolger.

Maria, geb. 4. Jänner 1815, heiratete am 21. September 1841 Anton Biertögl.

In der Folge verheiratete er sämtliche der am Leben gebliebenen Kinder:

Als ersten den ältesten Sohn Johann mit Elisabeth Woltron aus Raglitz Nr. 16, Tochter des Johann und der Theresia Woltron. Es war dasselbe Haus und dasselbe Geschlecht aus dem später unsere Mutter Maria Woltron stammte. Die Eheleute Johann u. Elisabeth Scheibenreif kamen auf das Haus Nr. 11, daß vorher Peter Wurz gehörte. Als zweite folgte ein Vierteljahr später Magdalena, die am 9. April 1826 den Bauern Anton Just in Mahrersdorf Nr. 9 heiratete. Im Jahr 1830, am 6. Februar, heiratete Anton Barbara Pinkl, in Reith Nr. 5, auf das zweitgrößte Haus in der Gemeinde. Das Gegenteil war bei Matthias der Fall, welcher am 10. Februar 1833 die Maria Weik, auf Flatz Nr. 27, auf eines der kleinsten Häuser in Flatz, heiratete. Während seiner Wirtschaftszeit vergrößerte Michael seinen Grundbesitz sicher auf das Doppelte, wenn nicht auf das Dreifache, denn dieser belief sich am Ende auf 67 Joch, das war das Dreifache einer mittelgroßen Wirtschaft. Desgleichen muss auch der Ausbau des Hauses selbst über die normale Größe hinaus als sein Werk angesehen werden. Bevor er in den Ausnahm trat, baute er sich in der Hintergasse das Ausnahmstübl Nr. 36 für seinen Ruhestand auf. Es war seinem Wohlstand angemessen, in der Größe und Bequemlichkeit. Seine Ausnahmswirtschaft glich einem kleinen Bauernhaus.

Hausübergabe – Tod von Theresia und Michael

Im Jahre 1839 übergab er die Wirtschaft dem jüngsten Sohn Lorenz und zog in die Hintergasse. Als Ausnehmer verheiratete er seine jüngste Tochter Maria 1841 an den Schullehrer Anton Biertögl in St. Lorenzen. Die Tochter der beiden, Theresia Biertögl, heiratete später den Oberlehrer in Wartmannstetten, Josef Ekhart, späteren Bezirksschulinspektor in Neunkirchen. In seinem 81. Lebensjahre wurde Michael krank und bettlägerig. Seinem Sohn Matthias, der wirtschaftlich am schwächsten stand, hatte er wiederholt schon seinen Ausnahmsgrundfeldacker versprochen. Damit darüber unter den Erben keine Streitigkeiten entstehen konnten, schenkte er ihm denselben kurz vor seinem Tode mit folgendem…

Leibrentenvertrag

geschlossen zwischen den Ausnehmerleuten Michael und Theresia Scheibenreif in Flatz und den Eheleuten Matthias und Maria Scheibenreif, Bauersleute in Flatz Nr. 27.

  1. Übergeben Michael und Theresia Scheibenreif den Ehe­leuten Matthias und Maria Scheibenreif den Acker Parz. Nr. 89 in der Steuergemeinde Flatz per 1 Joch 184 qu Kl., Grundbuch Neukloster, Folio 848, geschätzt auf 50 Fl., gegen dem
  2. daß sich Matthias und Maria Scheibenreif verpflichten, ihren Eltern, beziehungsweise Schwiegereltern, Michael und Theresia Scheibenreif, jährlich zwei Metzen Weizen zu geben, so lange letztere leben.
  3. erteilen die Eheleute Michael und Theresia Scheibenreif die Bewilligung, daß sich Matthias und Maria Scheibenreif das Ei­gentumsrecht auf der Parzelle Nr. 89 einverleiben lassen können.

Neunkirchen am 15. Mai 1859
Michael und Theresia Scheibenreif,
Matthias und Maria Scheibenreif

Da die Ausnehmerleute Michael und Theresia Scheibenreif noch im Jahre 1859 starben, ist es zweifelhaft, ob Matthias und Maria auch nur ein einziges Mal dazu kamen, die bedungenen zwei Metzen Weizen zu liefern. Michael starb am 17. Juni 1859, sein Weib Theresia am 16. Dezember 1859.

Nachlass

Über ihren Nachlass liegt folgende Urkunde auf:

Michael Scheibenreif, gest. am 17. Juni 1859, Nachlass 751, Fl. 70 K.
Theresia Scheibenreif, gest. 16. Dezember 1859.

Einantwortungsurkunde:

Vom Bezirksamte Neunkirchen werden vom gerichtlich geschätzten Nachlasse der am 16. Dezember 1859 in Flatz Nr. 23 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung verstorbenen Ausnehmerin Theresia Scheibenreif:

  1. a) drei Tagwerk Weingarten und ein Dreizigtweingarten im Grundbuche Minoriten Kloster E, Folio 265 und 266, per                                                                       180 Fl.
  2. b) 1 1/2 Tagwerk Weingarten, Grundbuch dito., Folio 284 und 285,
    per                                                                                          60 Fl.
    dem Johann Scheibenreif, Hausbesitzer Flatz Nr. 11.
  3. c) den Krautgarten, Grundbuch Neukloster, Folio 814, per 120 Fl.
    dem Lorenz Scheibenreif, Hausbesitzer Flatz Nr. 23.
  4. d) die drei Tagwerk Weingarten, Grundbuch. St. Lorenzen, Folio 112,
    per                                                                                          90 Fl.
    der Magdalena Just, Witwe in Mahrersdorf.
  5. e) die Überlandwiese, Grundbuch. Neukloster D, Folio 643,
    per                                                                                        120 Fl.
    ..
  1. f) die Parzelle Nr. 1435 von den zwei Tagwerk Holz im Grundbuch Neukloster D, Folio 1677, per         200 Fl.

 zur Hälfte der Magdalena Just und zur Hälfte dem Matthias Scheibenreif auf Grund der am 11. Jänner 1860 zwischen Genannten, dann dem Anton Schei-benreif und Anton Biertögl, welche sich       sämtliche bedingt aus dem Gesetz erbserklärt haben, gepflogenen Abhandlungsübereinkommen über ausge­wiesener Berichtigung der Perzentualgebühren und über geschehenen Erlag der den beiden minderjährigen Miterben angefallenen Erbteile ins freie Eigentum mit der Bewilligung eingeantwortet, daß die genannten Erben ihr Eigentumsrecht auf die ihnen eingeantworteten Realitäten grundbücherlich einverleiben lassen können.

K.K. Bezirksamt Neunkirchen, als Gericht, am 11. Jänner 1861

Auf Grund dieser Urkunde ist für Matthias Scheibenreif, Witwer, das Eigen­tumsrecht auf die Hälfte der der Theresia Scheibenreif zugeschriebenen 2 Tagwerk Holz, Grundbuch Neukloster D, Folio 677 und auf die ganze Wiese, Grundbuch Neukloster D, Folio 643 einverleibt worden. 

  1. 12. Dezember 1891
    Fogtgarten Grundbuchsführer.
  1. Matthias II.


V
orgeschichte des Hauses Nr. 27

Wie schon oben angeführt kam Matthias II, der zweitälteste Sohn Michaels, im Jahre 1833 durch Heirat auf das Haus Nr. 27. Bisher war er stets bei der väterlichen Wirtschaft aufgewachsen und hatte das Vaterhaus nie verlassen. Und doch fügte es der Zufall, daß er einmal mit dem Herzog von Reichstadt, dem Sohn des großen Napoleon, in Berührung kam. Es war um das Jahr 1830, die Zeit ist nicht genau bekannt, als der junge Napoleon in Stixenstein beim Grafen Hoyos einige Zeit als Gast weilte. Da äußerte Napoleon auch einmal den Wunsch, auf den Gahns zu gehen oder zu reiten. Der Anlass hierzu ist nicht bekannt, vielleicht wollte er einer Hirschjagd beiwohnen. Der Wunsch des Gastes brachte den Grafen in große Verlegenheit. Einerseits wollte er ihm den Wunsch nicht abschlagen, andererseits, war der junge Mann bei seiner zarten Konstitution und seiner Anlage zur Brustkrankheit den Beschwerden eines Aufstieges oder Rittes bei den schlechten beschwerlichen Wegen nicht gewachsen. Zumindest war es mit großer Verantwortung für den Grafen verbunden, welche dieser nicht auf sich nehmen wollte. Die Sache ließ sich nur auf die Weise ausführen, daß man den hohen Gast mit einem Wagen hinauf führte. Das war aber keine einfache Sache. Im gräflichen Stalle standen genug Pferde, aber lauter Reitpferde und Rennpferde für gute ebene Straßen, die auf steilen schlechten Gebirgswegen zu verwenden gefährlich gewesen wären. Dazu taugten nur Pferde, die für solche Wege eingefahren waren. Solche Pferde wusste der Graf beim Michael Scheibenreif in Flatz. Sofort musste ein Bote den Auftrag überbringen, die Pferde und einen verlässlichen Kutscher nach Stixenstein zu schicken. Michael kam dem Auftrage nach und stellte als Kutscher seinen Sohn Matthias bei. Dieser führte seine heikle Mission auch zur vollsten Zufriedenheit des Grafen und Herzogs durch. Wahrscheinlich ist das Trinkgeld auch standesgemäß ausgefallen. Ein urkundlicher Bericht hierüber ist nicht auf uns gekommen.

Thomas Weik – Matthias Weik

Vor dem Jahre 1766 saß das Geschlecht der Pfarrer auf dem Hofe Nr. 27. Am 25. Oktober 1766 kam der erste Weik namens Thomas durch Heirat der Katharina Pfarrer auf den Hof. Der Ehe entstammten zwei Söhne und zwei Töchter: Matthias, Georg, Theresia und Anna. Matthias wurde 1807 der Nach­folger, Georg verließ das Vaterhaus um sich anderwärts Erwerb zu suchen und war zeitweise unbekannten Aufenthaltes. Theresia heiratete einen Haslinger in Wiener Neustadt, Anna einen Blümel in Flatz. Mit Hauskaufkontrakt vom 21. Jänner 1807 übergab Thomas Weik dem Sohn Matthias das Haus.

Kaufkontrakt, dato 21. Jänner 1807

Vor der Herrschaft Stixenstein im Viertel unter dem Wienerwald ist zwischen dem Thomas Weik, behauster Stixensteiner Unterthan in Flatz u. Katharina seinem Weibe als Verkäufern eines, dann deren Sohn Matthias Weik, Barbara Eberlin seiner zukünftigen Ehewirtin als Käufern andernteils, nachfolgender Kaufkontrakt für beide Teile verbindlich abgeschlossen worden.

  1. Übergeben Thomas Weik und Katharina seine Ehewirtin dem Matthias Weik und Barbara seinem künftigen Eheweibe ihre eigenthümliche zu Flatz neben Andre Windbacher und Andre Zeilhofer liegende Viertellehenbehausung beym Pfarrer genannt, wie selbe zum Stift Neukloster dienstbar, sonst aber mit allen Jurisdiktion der Herrschaft Stixenstein unterworfen ist, samt den dazugehörigen Hausgründen als ein Joch Acker hinterm Bromberg neben Franz Pinkl und Thomas Gmainer und 1/4 Tagwerk Garten beym Hause
    um 100 Fl.
    Freye Überländ: 3 Tagwerk Weingarten in der oberen Hofstatt neben Johann Eichberger und dem Minoritengrund, zur Pfarre St. Lorenzen dienstbar,                   20 Fl.
    1 Tagwerk Acker im Flatzer Thal in der Inzein neben Johann Posch und Matthias Just, zum Minoritenkloster Neunkirchen dienstbar,                                    30 Fl.
    1 Tagwerk Acker im Flatzer Thal neben Florian Perner u. Josef Kölbel, zum Grundbuch Emmerberg dienstbar, per                                                                              50 Fl.
    1 Tagwerk Acker im Tiefenthal neben Josef Kölbel und Matthias Pfarrer, zum Grundbuch der Herrschaft Emmerberg dienstbar, per                                                          40 Fl.
    1 Joch Acker in Raglitzer Marchweg neben Jakob Eichberger u. Pankraz Zusag, dahin dienstbar, per                                                                                                    30 Fl.
    1/2 Tagwerk Hofteilacker am Meisenbügel zu Flatz neben Johann Putz und Simon Grashofer, zum Stift Neukloster dienstbar, per                                                            15 Fl.
    1/2 Tagwerk Holz auf dem Eck neben Michael Scheibenreif und Florian Perner, dahin dienstbar, per                                                                                                     60 Fl.
    Angebaute Körner: 2 Metzen Weizen, a 6 Fl.                            12 Fl.
    7 Metzen Roggen, a 5 Fl.                                                            35 Fl.
    Vorrätige Körner: 2 Metzen Roggen, a 5 Fl.                              10 Fl.
    8 Metzen Gmischet, a 4 Fl.                                                         32 Fl.
    Vieh: 1 Paar Ochsen                                                                100  Fl.
    1 Kuh, sehr schlecht                                                                    20 Fl.
    4 Schafe a 1 Fl., 3 Hühner a 10 K.                                           124 Fl., 30 K
    Fahrnisse und Hausrat:                                                             60 Fl., 80 K
    —————————————————————————————–
    Zusammen um einen Kaufschilling von                                 623 Fl., 10 K
    =============================================
  2. Diesen Kaufschilling berichtigen die Käufer auf nachstehende Art:
    a) Rechnet der Käufer seine von den Verkäufern zu fordernde Schuldpost für geliehenes Körndl und Bargeld                                                                                     300 Fl.
    b)    übernehmen sie nachfolgende Passivposten zu bezahlen:
    Der Tochter Theresia Weikin mit Ignaz Haslinger in Wr. Neustadt         verehelicht geliehenes Geld       21 Fl.
    dem Sohn Georg Weik ledigen Standes in Ungarn für geliehene            3 Metzen Gemischet, a 5 Fl.,       15 Fl.
    der Tochter Theresia, verehelichte Haslinger, in Wiener Neustadt, an    versprochenem Heiratsgut       43 Fl.
    c)    den Überrest per                                                                244 Fl. 10 K.
    lassen die Verkäufer den Ankäufern bis nach ihrem Absterben ohne      Interessen und        Sicherstellung auf dem Hause liegen und bedingen sich nur in bedürftigen Fällen eine Abschlagszahlung, wovon aber keine               jährlich mehr als 5 Fl. betragen darf.

Daher ausgewiesen obiger Kaufschilling, per 623 Fl. 10 K.

  1. Zu einem jährlichen Ausnahm bedingen sich die Verkäufer die Kost und Wohnung mit den Käufern gemeinschaftlich, dann die nöthige Leibsklei­dung. Würden sie sich aber mitsammen nicht vergleichen und zwischen ihnen eine Absonderung notwendig sein, die jedoch gerichtlich bestimmt werden müßte, so bedingen sich die Verkäufer jährlich 4 Metzen Korn, 2 Metzen Gmischet, 5 Pfund Rindschmalz, einen Salzstock mit 2o“, dann statt der Wohnung 5 Fl. Zinsgeld und 2 Klafter Brennholz, welches der Käufer mit seinem Zuge den Verkäufern unentgeltlich zuführen muß.
  1. Schenken die Verkäufer rücksichtlich dieses Ausnahmes den Übernehmern die aus den geleisteten Körnerlieferungen und gezahlten Kriegsdarlehen zugunsten kommenden Beträge ganz in ihr Eigentum.
  1. Bezahlen die Käufer die landesfürstlichen und herrschaftlichen Gaben für das Jahr 1807 vom Hause und den Gründen allein aus ihrem Eigentum
  1. Nehmen die Verkäufer keinen Anstand, daß die Käufer ohne ihr weiteres Einvernehmen um die Behausung und Überlandgründe bei den betreffenden Grundbüchern bewährt werden können.

Endlich

  1. soll dieser Kaufkontrakt erst nach erfolgter priesterlicher Trauung seine volle Gültigkeit erhalten, von welchem Tage an die Käufer die Behausung, Gründe und übrigen Realitäten in ihr Eigentum übernehmen und auch von diesem Tage an für alle diese Realitäten treffenden Zufälle zu haften haben.

Herrschaft Stixenstein, dato 21. Jänner 1807Matthias Weik Käufer, Thomas Weik Verkäufer,

Barbara Eberlin Mitkäuferin, Katharina Weikin Verkäuferin,

Matthias Eichberger als Zeuge, Michael Scheibenreif Richter u. Zeuge,

Erhard Pichler als Zeuge,
Simon Windbacher als Zeuge

Vorstehender Kaufkontrakt wird hiermit obrigkeitlich ratifiziert.
Vor der Herrschaft Stixenstein, 21. Jänner 1807

Tod von Thomas Weik

Thomas genoss das Ausnehmerleben kaum zwei Jahre, denn er starb schon am 16. Juni 1808. Die Abhandlung über seinen Nachlass fand jedoch erst am 24. April 18o9 statt.

Abhandlungsinstrument dato 24. April 1809.

Über die Verlassenschaft des am 16. Juni 1808 verstorbenen Thomas Weik gewesenen Ausnehmers bei seinem Sohn Matthias Weik, Stixensteiner Unterthan und Viertellehener zu Flatz.

Vermögen

Matthias Weik schuldet infolge Kaufkontrakt vom 21. Jänner 1807 an Kaufschil­lingsrest per 244 Fl. 10 K. über bezahlte 5 Fl., noch 239 Fl. 10 K. Leichenkosten hat der Erbschuldner bezahlt 15 Fl. 21 K., bleibt reines Vermögen 223 Fl. 19 K. Hiervon gebührt infolge Ehevertrages vom 25. Oktober 1766 der überlebenden Witwe Katharina Weik aus der stipulierten allgemeinen Gütergemeinschaft die Hälfte mit 111 Fl. 54 K 2″. Die andere Hälfte bildet das eigentliche Verlassen­schaftsvermögen 111 Fl. 55 K. 2″.

Taxen

15 Posten zusammen 19 Fl. 20 K 2″, bleibt                                         92 Fl. 34 K.

Erbserklärung

Obwohl die überlebende Katharina Weik nach dem Heirathskontrakt vom 25. Oktober 1766 auf ein Drittel der Verlassenschaft Anspruch hätte, so erklärt sie jedoch hiermit, sie wolle aus Liebe zu ihren Kindern auf ihr Drittel Verzicht leisten und das selbe ihren Kindern zu gleichen Teilen hinterlassen.

Herrschaft Stixenstein 24. April 1809Katharina Weikin, Michael Scheibenreif, Richter und Zeuge

Erbserklärung

Die vier ehelichen großjährigen Kinder Matthias und Georg Weik, Theresia ver­ehelichte Haslinger und Anna, verehelichte Blümlin und zwar Georg Weik und Theresia Häuslin, durch ihren Kurator Michael Scheibenreif, Richter in Flatz, haben sich zur Verlassenschaft ihres Vaters Thomas Weik per 92 Fl. 34 K. als Universalerben erklärt.

Herrschaft Stixenstein, 24.04.1804

Matthias Weik, Anna Blümel, Michael Scheibenreif

im Namen der anwesenden Georg Weik und Theresia Häuslin.

Theillibel
Vom verstehenden Vermögen per 92 Fl. 34 K. erhält demnach Matthias Weik, Georg Weik unwissend wo, Theresia Häuslin zu Wiener Neustadt und Anna Blümlin zu Flatz je 23 Fl. 8 1/2 K.

Abhandlung

Dem Erbschuldner Matthias Weik wird das ganze Verlassenschaftsvermögen ob­rigkeitlich gegen dem eingeantwortet, daß er die herrschaftlichen Taxen per 17 Fl. 20 1/2 K. all sogleich, und die Erbschaften der Anna Blümel und Theresia Häuslin auf Verlangen nach 1/4jährlicher Kündigung, bezahle. Der ihrer Mutter gebührende Betrag per 111 Fl. 54 1/2 K. bleibt ohne Interesse auf dem Hause liegen. Das Erbteil des unwissend wo befindlichen Georg Weik ist binnen 4 Wo­chen beim Waisenamte zu erlegen.

Herrschaft Stixenstein, 24. April 1809Matthias Weik, Michael Scheibenreif Richter, Franz Pinkel als Zeuge im Namen des abwesenden Georg Weik, und der Katharina Weikin, der Theresia Häuslin, Anna Blümlin, Barbara Weikin.

Gewähr

Matthias Weik Herrschaft Stixensteiner Unterthan in Flatz und Barbara dessen Ehewirtin empfangen Nutz und Gewähr um einen Acker in der Inzein neben Johann Posch und Matthias Just gelegen. Hiervon dienet man jährlich zum Grund­buche dieser Herrschaft Lit. 6 Fol. 281 zum wahren Grunddienst 1″. Vorhin war hierum Thomas Weik und Katharina vor zugleich angeschrieben, von welchen obige Gewährsnehmer diesen Grund durch Kauf dato 21. Jänner 1820 überkommen haben, taxiert zu 30 Fl. Mögen sie demnach ihren Nutzen und Frommen damit schaffen, wie ihnen beliebt und ihr Grundbuchsrecht ist.

 Vor der Minoriten Kloster Herrschaft ‚
Neunkirchen dem 20. Jänner 1820
Pfleghart

Hiernach schienen sich die Ausnehmerleute Thomas und Katharina WEIK, den Angeracker bei der seinerzeitigen Übergabe vorbehalten zu haben. Aus der Ehe des Matthias und der Barbara Weik ging nur eine Tochter Maria hervor, welche sie im Jahre 1833 mit Matthias Scheibenreif verheirateten und Ihnen das Haus übergaben.

Hausübergabe durch Matthias Weik an Matthias Scheibenreif

Inventarischer Kaufkontrakt…

 zwischen Matthias Weik und Barbara uxor als Verkäufer einerseits und dem diesherrnschaflichen majorennen Unterthanenssohn Matthias Scheibenreif und seiner angehenden Gattin Maria Weik als Käufer andererseits: 

  1. Verkaufen und übergeben Matthais Weik u. Barbara uxor dem Matthias Scheibenreif und seinem Eheweib Maria Weik ihre eigenthümliche neben Karl Reiterer und Peter Zeilhofer liegende Viertellehenbehausung Nr. 27 vorhin Pfarrer genannt, wie solche zum Stift Neukloster dienstbar, sonst aber mit allen Jurisdiktion der Herrschaft Stixenstein unterworfen ist, samt dazugehörigen Hausgründen, als ein Joch Acker hinterm Bromberg, neben Franz Pinkl und Jakob Rinner, und 1/4 Tagwerk Garten beim Hause,
    per 40 Fl.,         3 Tagwerk Weingarten in der oberen Hofstatt neben Anton Scheibenreif und dem Minoritengrund, zur Pfarre St. Lorenzen dienstbare                                                                                                       8 Fl.,
    1 Tagwerk Acker im Flatzerthal, in der Inzein, neben Matthias Reiterer und Johann Posch, zum Minoritenkloster Neunkirchen dienstbar,
    per                                                                                                12 Fl.,
    1 Tagwerk Acker im Flatzerthal, neben Veronika Perner und Josef Kölbl, zum Grundbuch Emmerberg dienstbar, per                                                                               20 Fl.
    1 Tagwerk Acker im Tiefenthal, neben Franz Woltron, zum Grundbuch Emmerberg dienstbar, per 16 Fl.
    1 Joch Acker im Raglitzer Marchweg, neben Jakob Eichberger und Pankraz Zusag, eben dahin dienstbar,                                                                                                     12 Fl.
    1/2 Tagwerk Hofteilacker in Meisenbüchl, neben Franz Postl u. Martin Grashofer, zum Stift Neukloster dienstbar,                                                                                       6 Fl.
    1/2 Tagwerk Holz auf dem Eck neben Michael Scheibenreif und Blasius Just, ebendahin dienstbar,                                                                                            24 Fl.Mit Vieh und gesamten Hausrat insgesamt                                                                                                   249 Fl. 35 K

Welchen Kaufschilling die Käufer auf folgende Art zu berichtigen gedenken: 

  1. Rechnen sich die Käufer das ihnen laut Ehevertrag vom 4. Februar 1833 von den Verkäufern zugesicherte Heiratsgut ab mit 8 Fl. Den Überrest von 241 Fl. 35 K. lassen die Verkäufer den Ankäufern einstweilen ohne Inter­essen und besondere Hypothek in Händen, und bedingen sich bloß, daß ihnen die Letzteren jährlich 8 Fl. C. M. auf Abschlag des Kaufschillings anzahlen und daß nach Absterben des einen oder des anderen Teiles der sich zeigende Überrest den betreffenden Erben unweigerlich bezahlt werde.
  2. Bedingen sich die Verkäufer nachfolgenden lebenslänglichen und unent­geltlichen Ausnahm: Die freie Wohnung in den von Verkäufern und Käufern auf gemeinsame Kosten zu erbauenden und dann von den Käufern im guten Zustand zu erhaltenden Ausnahmsstübchen, die Kost mit den Käufern über einen Tisch und jährlich ohne Abrechnung auf den Kaufschilling vier Gulden in CM., endlich für die sich vorbehaltenen Schafe den nötigen Platz im Stalle und das Futter für dieselben. Im Falle sie sich jedoch wegen der Kost nicht vergleichen sollten, so sollen die Käufer verbunden sein ihnen jährlich vier 4 Metzen Weizen, 4 Metzen Korn, 6 Metzen Gemenge, dann 5o“ Schweineschmalz und Speck, 4 Maß Rindschmalz, einen Salzstock mit 28″, endlich wenn die Käufer Obst fechsnen sollten, 100 Stück gute Äpfel und 3o“ dürre Pflaumen auszufolgen. Im Falle ein oder der andere Teil der Verkäufer mit Tod abgehen sollte, so soll der andere Theil nur die Hälfte des obigen Ausnahms zu fordern berechtigt sein.
  3. Behalten sich die Verkäufer vor, wenn sie es für nötig erachten sollten, obigen Hauskaufschilling samt den bedungenen Ausnahm auf die Behausung der Verkäufer satzweise intabulieren zu lassen.
  4. Bewilligen die Verkäufer, daß sich die Käufer sogleich nach vollzogener Trauung um die übergebenen Realitäten an die Nutz und Gewähr schreiben lassen können.
  5. Bezahlen die Käufer vom II. Quartale an alle wie immer gearteten Zahlungen und Giebigkeiten.
  6. Soll dieser Kaufkontrakt nach vollzogener Trauung und herrschaftlicher Ratifikation Rechtskraft erlangen.

Herrschaft Stixenstein, am 4. Februar. 1833
Matthias Weik, Matthias Scheibenreif, Barbara Weik, Maria Weik,
Anton Lechner Zeuge, und Franz Pinkl Zeuge

Das Haus Nr. 27

In dieses, zu den kleinsten Häusern des Ortes zählende, Haus heiratete der Sohn des größten und reichsten Bauern des Ortes. Das Haus des Vaters Michael Scheibenreif hatte ein Grundausmaß von 67 Joch, das des Sohnes 8 1/2 Joch, der Vater zahlte 47 Fl. 50 K. Steuer, der Sohn 5 Fl. 50 K. Das bescheidene Ausmaß des kleinen Anwesens zeigte sich auch am Gebäude selbst. Die Scheune schloß in einem rechten Winkel direkt an den Wohnstock an, so daß sogar die Stalltür innerhalb der Scheune war. Links von der Tenne war also der Stall und rechts ein Halbbarren. Die Körndlkammer bestand noch nicht. Die Mauer des Wagenschuppens und deren Verlängerung nach rückwärts zeigte die frühere Grenze gegen den Nachbarn Nr. 28 an. Der Wohnstock umfasste nur Stube, Vorhaus, Stübl, Küche und Speis, aber alles im denkbar kleinsten Ausmaße. Der im Übergabsvertrag erwähnte gemeinsame Aufbau eines Ausnahmstübls kam augenscheinlich nicht Zustande und das ehemalige hintere Stübl blieb, so unglaublich es scheinen mag, das Ausnahmstübl, der Wohnraum für die zwei Ausnehmersleute. Der Wohnstock stand derart in der Erde, daß die kleinen Fenster der Wohnstube, der Speis und des Stalles fast bis auf die Erde des aufstoßenden Gartens reichten. Die Küche hatte überhaupt kein Fenster. Der Fußboden der Stube und des Stübls war daher stets morsch und teilweise verfault. Die Decke, besonders des Stübls, war auch von einem mittelgroßen Mann mit der Hand leicht zu erreichen.

Die der Straße zugekehrte Giebelseite des Hauses trug die Aufschrift:

„O Herr bleibe bei uns, denn es wird Abend.“

Hoffentlich ließ sich der „Herr“ nie verleiten dieser biblischen Einladung zu folgen, denn er hätte höchstens am Boden unterm Dache Platz finden können.

Der Hof lag bedeutend tiefer als die Ortsgasse. Da das Bachl nur ganz seicht war, strömte dieses bei Hochwasser in den Hof und bildete einen See, wo es durch den Abzugsgraben nur langsam in den Nachbargarten abfloss.

Tod von Barbara Weik

Am 21. April 1839 starb Weiks Weib Barbara, worüber am 22. September 1839 die Abhandlung gepflogen wurde.

Abhandlung

Abhandlungsinstrument über das Verlassenschaftsvermögen der am 21. April 1839 zu Flatz Nr. 27 verstorbenen Ausnehmerin Barbara Weik.

Inventur und Schätzung

Restlicher Kaufschilling bei Matthias Scheibenreif                             244 Fl. 41 K.

ab für Leichen und Krankenkosten                                                       15 Fl. 41 K.

Rest                                                                                                               229 Fl.

dem überlebenden Witwer Matthias Weik die Hälfte                          144 Fl. 30 K.

vererblicher Rest                                                                                 144 Fl. 30 K.

ab Gebühren u. Taxen (16 Posten)                                                       20 Fl. 30 K.

Vererbliches Vermögen                                                                        94 Fl. 27 K.

Hiervon 1/3 dem Gatten Matthias Weik                                                31 Fl. 29 K.

der Tochter Maria, verehelichte Scheibenreif,                                      62 Fl. 58 K.

somit dem Witwer Matthias Weik insgesamt                                       145 Fl. 59 K.

Herrschaft Stixenstein, am 22. September 1839

Wann Matthias Weik das zeitliche segnete, ist unbekannt, wie über ihn überhaupt keine Urkunden mehr vorliegen.

 

Matthias Scheibenreif als Richter


Anfangs der Vierzigerjahre bekleidete Matthias das Amt eines Richters. Dies geht aus einer Gemeinderechnung für das Jahr 1843, abgeschlossen am 27. Jänner 1844, hervor, auf welcher er als Richter unterfertigt ist.

Grundlastenablöse 1853

Das Revolutionsjahr 1848 brachte den Untertanen die Befreiung vom Unter­tänigkeitsverhältnis zu den Grundherrschaften, welche freilich in Form einer Grundlastenablösung von den einzelnen Herrschaften erkauft werden musste. Diese Ablösung kam erst im Jahre 1853 zur Durchführung.

Sie wurde vom 1. November 1848 an berechnet und konnte auf einmal oder auch in Raten, meist 10jährig, gezahlt werden. Nach den erhaltenen „Ansprüchen“ hatte Matthias zu zahlen:

An die Herrschaft Stixenstein, Gemeinde Flatz                                  29 Fl. 55 K

An die Herrschaft Stift Neukloster, Gemeinde Flatz                          10 Fl. 30 K.

An die Herrschaft Emmerberg, Gemeinde Raglitz                              13 Fl. 35 K.

An die Pfarre St. Lorenzen, Gemeinde Flatz                                         6 Fl. 15 K

An die Pfarre Spital, Gemeinde Flatz                                                    0 Fl. 06 K.

Matthias Weik zahlte extra zum Stift Neukloster                                  2 Fl. 05 K.

Hiernach hätte Weik sich noch Grundstücke zurückbehalten und lebte um diese Zeit noch.

Grunderwerbungen

An Grundstücken hat Matthias während seiner Wirtschaftszeit erworben:

  1. Laut Aufsandung vom 26. Jänner 1851 von Georg und Maria Eichberger in Flatz Nr. 1 den freien Überlandgrund, 2 Tagwerke Weingarten in der Stein­wand wischen Anton Tanzer und Paul Schneider gelegen, Grundbuch St. Lorenzen, Folio 99, um 20 Fl.
  1. Laut Aufsandung vom 6. Februar 1851 von seinem Bruder Johann Scheibenreif Nr. 11 den 1/2 Joch großen Acker, gelegen am Hofleiten, im Grundfeld, im Meisenbüchl, Steuergemeinde Flatz, Parz. 94, Grundbuch Neukloster, Folio 849, durch Kauf, um 32 Fl.  CM
    zwischen Thomas Tanzer und Michel Scheibenreif gelegen, welchen derselbe von Sebastian Neumann am 10 August 1817 erworben hat.
  1. Laut Kaufvertrag vom 1. Februar 1852 von Theresia Artner, Witwe und Inwohnerin Nr. 1, 2 Tagwerk Weingarten in der Steinwand, neben Simon Harrück und Anton Tanzer, Grundbuch St. Lorenzen, Folio 100,
    um 40 Fl. CM
  1. Laut Kaufvertrag vom 3. September 1853 von Michael Mucker in Grünbach den Acker Parz. 535 und 536, Gemeinde Raglitz, Grundbuch Emmerberg, für eine Schuld von 100 Fl. übernommen 100 Fl.
  1. Laut Leibrentenvertrag vom 15. Mai 1859 den Grundfeldacker, Parz. 89 von Michael und Theresia Scheibenreif geschenkt erhalten.

Taxiert mit                                                                                    50 Fl.

  1. Durch Einantwortung vom 11. Jänner 1861 von seinen Eltern Michael und Theresia Scheibenreif die Überlandwiese Grundbuch Neukloster D, Folio 643, im Werte von 120 Fl.
  1. und zugleich die Hälfte der Waldparzelle 1435, Grundbuch Neukloster D,
    Folio 677, per 200 Fl.

als Erbteil erhalten.

Kinder

Seiner Ehe mit Maria Weik entstammte eine Tochter Anna Maria (schon vor der Eheschließung am 8. Jänner 1832 geboren, später legitimiert) und ein Sohn Anton, geb. 27. Jänner 1835. Von der Tochter stammte ein im Jahr 1858 außer­ehelich geborener Sohn Johann ab.

Tod von Maria Scheibenreif

Am 13. Februar 1860 starb sein Weib im 52  Lebensjahre an einer Lungenent­zündung. Hierüber fand die Nachlass Verhandlung am 4. Mai 1861 statt:

 Inventur- und Schätzungsprotokoll…

nach der am 13. Februar 1860 verstorbenen Maria Scheibenreif, Flatz Nr.: 27, auf­genommen am 4. Mai 1860.

 Realitäten

  1. Das Viertellehenhaus Nr. 27 in Flatz nebst Hausgründen als 1 Joch Acker im hinteren Bromberg und 1/4 Tagwerk Garten beim Haus.
  2. Drei Tagwerk Weingarten in der oberen Hofstatt, neben Anton Scheibenreif und Minoritengrund, Grundbuch St. Lorenzen, Folio 10.
  3. Ein Tagwerk Acker im Inzein, neben Matthias Reiterer und Johann Posch, Minoriten, Folio 281.
  4. Ein Joch Acker im Raglitzer Markweg, neben Pfarrer und Peter Graßhofer, Grundbuch Emmerberg, Folio 452, richtig 246.
  5. 1/2 Joch Acker im tiefen Tal, Gemeinde Raglitz, neben Franz Dinhobl und Franz Woltron, Grundbuch Emmerberg II, Folio 470 richtig 317.
  6. 1/2 Joch Acker im Flatzerthal, Gemeinde Raglitz, neben Matthias Blümel und Maria Schwegelhofer, Grundbuch Emmerberg, Folio 446 richtig 124.
  7. 1/2 Tagwerk Acker im Meisenbügl, Gemeinde Flatz, neben Franz Postl und Martin Grashofer, Grundbuch Neukloster, Folio 804.
  8. 1/2 Tagwerk Holz auf dem Eck neben Lorenz Scheibenreif und Matthias Just, Grundbuch Neukloster, Folio 766.
  9. 1/2 Joch Acker im Grundfeld, Grundbuch Neukloster, Folio 849, Gemeinde Flatz.
  10. Überland, Parzelle 535 und 536, Gemeinde Raglitz, Grundbuch Emmerberg, Folio 434.
  11. Den Hofteilacker im Flatzer Grundfeld Nr. 89 mit 1 Joch 184 Klafter, Grundbuch Neukloster, Folio 848.
  12. 1 1/4 Joch Wald im Prälatenforst, Hausüberland zu Nr. 27, Stift Neukloster, Folio 137.
  13. 2 Tagwerk Weingarten in der Steinwand zu Flatz, Pfarre St. Lorenzen, Folio 99.
  14. Ein Joch Acker im kleinen Spiegel, Gemeinde Raglitz, Grundbuch Emmer­berg, Folio 516.
  15. Drei Tagwerk Acker in der Steinwand, Grundbuch St. Lorenzen, Folio 99.
  16. 1/3 Tagwerk Weingarten, obere Hofstatt, Grundbuch Pfarre Spital, Folio 376.
  17. Die Hälfte des Waldes von 2 Tagwerk Holz, Parzelle 1435 per 6 Joch 695 Klafter, Grundbuch Neukloster, Folio 677, welche Matthias Scheibenreif in Folge Erbteilung vom 11. Jänner 1860 von seiner Mutter Theresia Scheibenreif überkommen hat.
  18. Die Überlandwiese in Flatz, Grundbuch Neukloster, Folio 643 in Folge Erbteilung, siehe unter Punkt 17.

Summe                                                                                              1150 Fl.

Fahrnisse                                                                                          ..299 Fl.

Zusammen                                                                                        1379 Fl.

Passiven und Krankenkosten                                                             …78 Fl.

Reiner Nachlass                                                                                1301 Fl.

Dem Witwer die Hälfte                                                                       650 Fl.
Die andere Hälfte nach Abzug der Leichenkosten und Gebühren      598 Fl.
Vom Witwer auf 600 Fl. erhöht, daher der Sohn und die Tochter auf je 300 Fl.

Hausübernahme durch Anton Scheibenreif

Der Sohn übernimmt die Realitäten unter Punkt 1 – 8 und 12 um den erhobenen Schätzwert von 1019 Fl. 91 K., der Rest von 419 Fl. 9 K. verbleibt dem Vater Matthias Scheibenreif. Der erblassersche Witwer Matthias Scheibenreif übernimmt die erblasserschen Realitäten Hälfte 9 – 18 in das Eigentum und bedingt sich überdies einen Ausnahm.

Wie aus dem letzten Absatz hervorgeht trat Matthias Scheibenreif mit dem Abhandlungstage schon in den Ausnahm. Die Hauswirtschaft versah schon seit dem Tode der Mutter die Tochter Anna Maria bis zu ihrer Heirat am 9. April 1861 mit Georg Ranz von Ramplach. Am 10. April zog die neue Bäuerin ein und sorgte für das leibliche Wohl der gan­zen Familie. An sorgsamer Pflege und Betreuung des Ausnehmers wird es wohl die Schwiegertochter gewiß nicht haben fehlen lassen. Beweis dessen, daß er sich durch länger als zehn Jahre in die Einsamkeit des Ausnahmstübels als Witwer hineingefunden hat. Und dennoch kam eine Zeit, wo er diese Einsamkeit stets drückender empfand und die Sehnsucht nach einer Gesponsin immer größer wurde. Und es gab andernorts eine alleinstehende Witwe und Ausnehmerin, die sich in der ganz gleichen Lage befand. Und diese Witwe war sogar eine nahe Verwandte, die Mutter seiner Schwiegertochter. Wen wunderts, dass die gleich gesinnten Seelen sich auch fanden.

Wiederverheiratung des Matthias Scheibenreif

Ein Kunststück sondergleichen war es, wie sie die Sache bis zur Heirat geheim­zuhalten verstanden. Als der Pfarrer am 18. Jänner 1874 das Brautpaar von der Kanzel verkündete, wirkte die Neuigkeit wie eine Bombe.

Keine Seele, auch nicht die nächsten Verwandten, hatten eine Ahnung von der Heirat der beiden alten Leute. Und daß der Großvater die Großmutter nahm, gab der Sache eine besondere Note. Die Heirat bildete nicht nur den Gesprächsstoff für die Pfarre, sondern für den ganzen Bezirk. Am nächsten Tag, den 19. Jänner, 7 Uhr Früh, fand auch schon die Trauung der Brautleute Matthias Scheibenreif, Ausnehmer in Flatz Nr. 27, mit der Anna Woltron, Ausnehmerin in Raglitz Nr. 16, statt. So wurde der Witwer nach 14jähriger Witwerschaft wieder glücklicher Ehe­mann. An Langeweile litt er jetzt gewiss nicht, denn der neue Ehemann zog zu seiner Ehegesponsin nach Raglitz, die in einem eigenen Ausnahmsstübl wohnte und eine eigene kleine Wirtschaft mit einer Kuh und einigen Grundstücken führte. Dazu hatte weder ihre Kraft noch ihr beinahe gänzlich geschwundenes Augenlicht ausgereicht. Sie bedurfte zur Führung der Wirtschaft unumgänglich einer Hilfskraft. Dieser Aufgabe unterzog sich der neugebackene Ehemann mit größtem Eifer, schleppte im Schweiße seines Angesichtes Holz von der Holzhütte, Wasser vom Gemeindebrunnen, Futter für die Kuh vom Felde herbei und versah auch allerlei andere häusliche Verrichtungen und Botengänge. Wie zu ersehen, war die neue Ehefrau die Hauptnutznießerin des Ehebundes und man irrt wohl nicht, wenn man sie als die Anregerin hierzu ansieht. Dem Ehemann aber war das Eheglück, die Zweisamkeit, die zu bringenden Opfer wohl wert. Man hat nie ein Wort von ihm gehört, daß er seinen Schritt zur zweiten Ehe bereut hätte. Er war für sein Alter sehr rüstig, ging auch mit achtzig Jahren nicht gebückt, sondern vollkommen aufrecht und bekam erst in den letzten Lebensjahren graue Haare, aber keine weißen, auch keine Glatze. Ja er konnte noch mit 80 Jahren ohne Augengläser lesen. So lebten die alten Leute einander stützend und ihre Anliegen vertrauend noch vierzehn Jahre miteinander, bis der Großvater am 23. August 1888 im Alter von 84 Jahren als letztes seiner Geschwister an einem Gedärm Brand starb. Seine Witwe, Anna Scheibenreif, überlebte ihn nochmals 14 Jahre und starb erst am 11. Mai 1902 im 92. Lebensjahr an Altersschwäche. Man fand sie morgens früh tot im Bette.

  1. Anton 1861 bis 1922

Wie schon erwähnt, übernahm dieser als einziger Sohn des Matthias nach dem Tode seiner Mutter mit Verlassenschaftsvertrag vom 4. Mai 1860 die Wirt­schaft. Dies konnte er umso leichter tun, als er schon früher über Fürsprache seines Großvaters Michael bei der Herrschaft den Militärabschied vorzeitig erhalten hatte.

Heirat

Zur Eheschließung kam er erst auf Grund des Ehevertrages vom 25. März 1861 mit Maria Woltron, Tochter der Bauersleute Johann und Anna Woltron, Raglitz Nr. 16, am 10. April 1861, nachdem am Tage vorher seine Schwester Maria mit Georg Ranz, Bauer und Bürgermeister von Ramplach getraut worden war.

 

Vergrößerung des Hofes

Die Fechsung war wohl nicht besonders groß, aber es war in dem Liliputaner Haus auch für eine kleinere Fechsung kein rechter Platz. Zugleich mit der Kammer wurde auch ein neuer Torbogen samt Tor gebaut. In dem Wagenschuppen fand auch später eine neue Presse Unterkunft, wozu größtenteils auch Teile der alten Presse verwendet wurden. Infolge der verschiedenen Grundankäufe war nicht nur die Fechsung, sondern auch der Viehstand gewachsen, so daß auch die Erweiterung des Stalles notwendig geworden war, welchem Bedürfnisse um das Jahre 1870 entsprochen wurde. Als nach Ankauf des Nachbargartens 1880 die Verlegung des Ausganges in den Garten auf die andere Seite möglich geworden war, war auch die Erweiterung des winzigen Stalles um Gangesbreite möglich geworden. Das Gleiche galt bezüglich der Holzhütte und der Schweineställe. So wurden alle Räume im ganzen Hause den gesteigerten Anforderungen entsprechend erweitert. Durch das Hinausschieben der Scheune war es möglich geworden, auch auf der linken Seite der Tenne einen Halbbarren anzubringen. Nur in einem Belange blieb es beim Alten:nton wurde der wirtschaftliche Regenerator des Hauses. So wie Michael sein Großvater für das Haus Nr. 23, so brachte er das Haus Nr. 27, wenn auch in kleinerem Maßstab baulich und im Grundausmaße auf die Höhe der größeren Bauernhäuser des Ortes. Den Anfang machte er anfangs der 60er Jahre mit der Vergrößerung des Hofes, indem er die Scheune nach rückwärts um etwa 5 Klafter in den Garten hinausschieben ließ. Dies geschah in der Weise, daß er unter die schweren Fundamentbäume der Tenne Walzen unterschob, den Scheunendachstuhl vom Stalldachstuhl loslöste und die Scheune mit mehreren Paaren starken Ochsen hinausziehen ließ. Das Zweite war Mitte der 60er Jahre der Bau einer Körndlkammer rechts vom Toreingang und daran anschließend einen Wagenschuppen.

In den Wohnräumen, so sehr es die Mutter gewünscht und ersehnt hatte, daß die Küche menschenwürdig umgebaut werde, denn sie hatte in der kalten fensterlosen Küche besonders des Winters viel zu leiden. Einzig wurde nach des Großvaters Auszug nach Raglitz das kleine Stübl durch Wegräumung der Mauer mit der Speis vereinigt und zu einer Küche eingerichtet. So sehr der bauliche Zustand des Hauses wie keines im ganzen Orte nach Erneuerung und Vergrößerung schrie, so wenig konnte sich Anton dazu entschließen. Obwohl ihm niemand Mangel an Mannes- und Charakterfestigkeit vorwerfen konnte, zu dem Entschlusse, den Wohnstock auch nur den gewöhnlichen wohnlichen Ansprüchen entsprechend auszubauen, konnte er sich während seiner 60jährigen Wirtschaftszeit doch nie aufraffen. Den Mut, das Geld für Ausgestaltung seiner bequemen Wohnung auszugeben, brachte er leider nie auf. Davor schreckten ihn die Kosten immer ab. Viel lieber kaufte er Gründe von denen er jährlich irgendeinen Nutzen ziehen konnte. Und dies tat er bei jeder sich darbietenden Gelegenheit. So gelang es ihm, den kleinen bescheidenen Besitz auf den mehrfachen Umfang zu erweitern, wobei ihm freilich auch Schenkungen und Ererbungen zugute kamen. Die chronologische Reihenfolge der Besitzerweiterungen zeigt nachstehende Aufstellung:

BesitzerwerbungAm 4. Mai 1860 vom Großvater übernommen:

  1. Haus Nr. 27 mit Garten und Brombergwald
  2. Dürrofenacker
  3. Steinwandackerl
  4. Spiesackerl
  5. Weingarten
  6. Angeracker
  7. Riegelacker
  8. Spiegelacker und Wald
  9. Hadlacker
  10. Krautackerl
  11. Maisenbüglacker
  12. Gmeinriegl
  13. Kehrholz

Später erworben:

  1. Die Teichwiese (Lastwiese) durch Schenkung von Johann und Anton Wol­tron am 16. Jänner 1862, taxiert auf 42 Fl.
  2. Den Webermichelacker durch Kauf von Matthias Scheibenreif vom18. Mai 1862, um 100 Fl.
  3. Einen Spiegelacker durch Kauf von Peter Grashofer am 28. Oktober 1862,
    um 147 Fl.
  4. den Acker Oberehofstatt Parz. 524 durch Einantwortung und Schenkung vom 5. Februar 1863 von Unbekannt.
  5. das Krachler Ackerl durch Kauf vom 11. Jänner 1865 von Johann Krachler,
    um 70 Fl.
  6. den Schulmeisteracker durch Kauf vom 18. März 1865 von Anton Biertögl,
    um 300 Fl.
  7. den Maisenbüchlwald durch Kauf am 4. Dezember 1865 von Simon Haberler,
    um 80 Fl.
  8. das halbe Koliholz durch Kauf von Maria Just, verehelichte Göth, am 11. März 1867, um 80 Fl.
  9. den Spiegelacker durch Kauf von Michael Grashofer am 20. April 1869,
    um 60 Fl.
  10. die Grundfeldwiese Parzelle 76, 81 u. 87 durch Kauf von Lorenz Scheibenreif am 19. Mai 1870, um 500 Fl.
  11. das Harruckackerl beim Dürrofen durch Kauf vom Matthias Harruck am 14. Oktober 1873, um 35 Fl.
  12. den Grundfeldacker durch Kauf von Anna Scheibenreif am 26. Jänner 1875,
    um 1500 Fl.
  13. den Kampichlacker durch Kauf von A. Sch. am 26. Jänner 1875,
    um 300 Fl.
  14. den Dornbuschenacker durch Kauf v. A. Sch. am 26. Jänner 1875,
    um 200 Fl.
  15. die Breiten durch Kauf von A. Sch. am 26. Jänner 1875,
    um 700 Fl.
  16. die Wegparzelle 1477/4 durch Übereinkommen am 11. Februar 1879.
  17. den Weingarten Parzelle 467 durch Einwilligung vom 13. Oktober 1879.
  18. den Weingarten Parzelle 483 durch Kauf von Lorenz Eichberger am 19. September 1880, um 200 Fl.
  19. die Gartenteilparzelle 40/2 durch Kauf von Johann Tanzer am 15. Juni 1881,
    um 250 Fl.
  20. den Wald in der Au durch Kauf von Julius Tanzer (Handl) am 16. Dezember 1883, um 50 Fl.
  21. die Gartenteilparzelle 40/4 durch Kauf von Josef Tanzer am 19. Februar 1888, um 300 Fl.
  22. den Ringelgarten durch Kauf von Agnes Woltron am 13. Juli 1888,
    um 300 Fl.

Erbschaften

Durch Erbschaft von Matthias Scheibenreif am 30. Dezember 1888 erhalten:

Ackerparzelle Nr. 84 im Grundfeld,

Weingarten Parzelle      437

Weide                            -„-                                                                  530

Acker                             -„-                                                                  532

Weide                            -„-                                                                  543

Acker                             -„-                                                                  694

Die Hälfte der Waldparzellen 1435/1 und 1435/2.

  1. den Himmelgrabenwald durch Kauf vom 31. März 1890 von Johann Woltron, um 200 Fl.
  2. das Dandholz durch Kauf von Jakob Lackner am 24. Juni 1896,
    um    300 Fl.
  3. die „Hohe-Ried“ Gemeinde Raglitz, Wald, durch Kauf und Vergleich von Anna Scheibenreif am 7. Oktober 1886.

Die letzte Erwerbung war eigentlich eine Schenkung der Großmutter Anna Scheibenreif an die Eheleute Anton und Maria Scheibenreif. Zu dem Besitz, der als keine Erwerbung anzusehen ist, kam noch der ehemalige Gemeindeanteil, der jedoch laut Urteil des Kreisgerichtes vom 6. Juli 1888, Ziffer 6819 als Gesellschaftsgut mit 1/24 Anteil dem Hause zugeschrieben wurde. Die Gesamtsumme der Kaufschillinge aller angekauften Grundstücke beträgt 5642 Fl. Bei Übernahme des Hauses hatte er 300 Fl. an die Schwester Maria Ranz auszuzahlen gehabt. Nach dem Tode des Großvaters Matthias Scheibenreif betrug ihr Erbteil 700 Fl. Die Legate der Enkel Barbara Ranz und Johann Scheibenreif je 50 Fl. Die Summe der von Anton auszuzahlenden Verlassenschaftsanteile, also 800 Fl. rechnet man zu den Kaufschillingen die Erbteilauszahlungen, die Anschreibgebühren und die verschiedenen Herstellungskosten für die baulichen Veränderungen des Hauses, so belaufen sich diese außerordentlichen Zahlungen, die Anton nebst den gewöhnlichen laufenden Auslagen für die Wirtschaft zu leisten hatte, auf weit mehr als 8000 Fl.

In Anbetracht der Höhe dieses Betrages drängt sich von selbst die Frage auf: Wie war es dem Manne bei der anfänglichen Kleinhäuslerwirtschaft ohne jede Erbschaft und ohne Lotterietreffer möglich, diese für ihn außerordentliche Summe aufzubringen? Aus dem Ertrag der kleinen Wirtschaft wären solche Leistungen wirklich nicht möglich gewesen. Später als die Wirtschaft schon bedeutend erweitert war, konnten solche Erfolge aus der geschickten Ausnutzung der großen Wirtschaft erklärt werden. Aber in den ersten Jahren wären solche Ankäufe und Baulichkeiten unmöglich gewesen, wenn ihm nicht ein ansehnliches Nebeneinkommen aus der Pecherei zugeflossen wäre.

Nebeneinkommen aus der Pecherei

In den Sechziger Jahren lieferte die Pecherei einen geradezu fabelhaften Ertrag. Kein Wunder, daß sich die ganze Gegend, in der die Schwarzföhre der herrschende Waldbaum war und dazu gehörte auch Flatz, mit allem Eifer der Pechnutzung widmete. Keine landwirtschaftliche Arbeit lohnte sich besser als die Pecherei und war dabei leicht zu erlernen. Jeder Unternehmer, und das konnte auch ein einfacher Pecher sein, trachtete soviel Pechbäume als nur irgend möglich zur Nutzung zu bekommen. Besaß er nicht selbst genug solcher Bäume, so pachtete er sie von anderen Besitzern gegen entsprechende Entlohnung auf eine gewisse Zahl von Jahren, oder nahm sie in Halbpecherei. In diesem Falle besorgte er die ganze Arbeit und teilte mit dem Waldbesitzer den Ertrag zu gleichen Teilen. In vielen Fällen war in die Pachtung nicht nur die Pechnutzung sondern auch die Abstockung der Pechbäume mit inbegriffen. Wie viele andere konnte Anton diese Gelegenheit zum Geldverdienen nicht unausgenutzt lassen und pachtete Pechbäume soviel er deren haben konnte. Wegen der hohen Beträge, um die es sich oft handelte, verband er sich auch manchmal mit einem Geschäftskameraden, es war meist Franz Gloggnitzer, Bauer Nr. 21. Die Verträge wurden wegen ihrer Wichtigkeit notariell abgeschlossen. Um nicht wegen der Pecherei ihren Hauptberuf, die Landwirtschaft zu vernachlässigen, waren sie oft genötigt, die mondhellen Nächte zu Hilfe zu nehmen, was zwar ihre Kräfte auf das Äußerste anspannte, durch die Ersparung fremder und ziemlich teurer Arbeitskräfte aber ihren Verdienst wesentlich erhöhte. Das gewonnene Harz verkauften sie an die umliegenden Pechsiedereien oder auch an die Druckfabrik Neunkirchen. Die Preise stiegen während der besten Zeit auf 25 Fl. per Wiener Zentner, ein für die damaligen Verhältnisse und die Produktionskosten unerhörter Preis. Keiner säumte, den frisch angesammelten Vorrat an Pech der Fabrik abzuliefern. Aber da passierte dem Anton einmal ein böses Malheur. Der Übernehmer fand das Pech zu unrein, verweigerte die Annahme und schickte ihn damit fort. Anton fuhr ruhig beim hinteren Fabriktor hinaus, verständigte seinen Kameraden und bald hatten die beiden sich über ihr Verhalten geeinigt. Anton spannte seine Ochsen vom Wagen, Gloggnitzer spannte dafür die seinen vor, fuhr um die Fabrik herum und beim vorderen Tor wieder hinein, um dasselbe Pech, dem selben Übernehmer vorzuführen. Dieser entnahm der Ladung eine Probe und fand das Pech sehr schön. Es wurde natürlich auch sofort angenommen und ohne Abzüge ausbezahlt, die List war vollkommen gelungen.

Ein andermal war den beiden wegen Überhäufung der Zulieferung gesagt worden, sie dürfen nur mehr eine Fuhre Pech bringen. Das tat ihnen sehr leid, denn sie hatten noch mehr Vorrat und fürchteten für später ein Sinken des Preises. Um nichts zu verlieren griffen sie wieder zur List. Sie luden zu Hause zwei Wagen mit je 10 Fässern a zwei Zentner und fuhren damit nach Neunkirchen. Vor der Fabrik luden sie beide Fuhren auf einen Wagen und fuhren mit diesem zum Tor hinein. Das Pech wurde angenommen und da die Ladung 40 Zentner fasste, belief sich die Rechnung bei einem Zentnerpreis von 25 Fl. diesmal auf nicht weniger als 1000 Fl. Soviel Geld hatten sie für eine Fuhre Ware weder vorher noch nachher mehr bekommen.

Prasserleben vieler Pecher

Zum Glück verstand aber doch ein Teil den Goldregen kluge auszunützen, kauften mit dem leicht erworbenen Geld Grundstücke oder bauten sich Häuser. Die meisten Kleinhäuser der Hintergasse verdankten jener Zeit ihr Entstehen. Auch Anton erweiterte damit sein Haus und legte durch Grundkäufe den Grund zur Vergrößerung seiner Wirtschaft. Als dann die Pechpreise sanken, schneller als man geglaubt hatte, war seine wirtschaftliche Lage schon derart gefestigt, daß sein Aufstieg auf Grund des gesteigerten Ertrages nicht mehr aufgehalten wurde. Besaß er bei einer günstigen Kaufgelegenheit gerade nicht die nötige Summe, so fand er in dem Bauern Josef Eichberger Nr. 24 jederzeit einen Geldgeber, der ihm jeden Betrag bereitwillig zur Verfügung stellte. Der Aufstieg des einstigen Kleinhäuslers und seiner Gewissenhaftigkeit im Begleichen seiner Verpflichtungen freute den alten tüchtigen Bauern so sehr, daß er ihm volles Vertrauen schenkte und unbeschränkten Kredit gewährte.nton war dabei noch einer der kleineren Pecher. Andere befassten sich nur mit der Pecherei und besaßen ein Mehrfaches von Pechbäumen. Sie verdienten große Summen, verließen sich aber leichtfertig allzu sehr auf die Beständigkeit der Hochkonjunktur in Pech. Sie führten ein Prasser Leben, saßen auch an Werktagen bei Wein und Braten im Wirtshaus, spielten Karten oder schoben Kugel um hohes Geld und schickten Pechknechte in den Wald, die für sie die Arbeit verrichten mussten. Es gab auch welche, die mit Fidibus aus Gulden Zetteln Zigarren anrauchten. Sie verschwendeten das leicht verdiente Geld, so wie es der Tag brachte und als die schöne Zeit verflogen war, hatten sie nichts erspart, ja sie kamen hernach sogar in Schulden.

Grundverkäufe

Den Grundankäufen müssen auch die Grundverkäufe entgegen gestellt werden, die Anton aus Zweckmäßigkeitsgründen vollzog. So verkaufte er den kleinen Maisenbüchlacker bei Mahrersdorf am 9. Oktober 1872 an den Mahrersdorfer Wirt Matthias Hadl um 300 Fl., den Meisenbüchlwald während des Krieges an Unbekannt um 10000 K.

Verbesserung der Grundstücke

Neben der räumlichen Vergrößerung der Wirtschaft ließ sich Anton auch die Verbesserung der Grundstücke durch Entwässerung oder durch Auffuhr von Schlammerde angelegen sein. Durch Anlage von Abzugsgräben, viel mehr Steinröhren, verbesserte er besonders die Grundfeldwiese und den Grundfeldacker in ausgiebiger Weise. Weit abgelegene Felder, deren Bewirtschaftung zeitraubend war, bebaute er mit Waldpflanzen, so den Hadlacker, den Spiegelacker und den Webermichel Acker.

Obstbau – Weinbau

Ein besonderes Augenmerk wendete er der Obstbaumzucht zu, deren Bedeutung er wegen ihres reichen Ertrages voll zu würdigen wusste. In drei Fällen konnte er Obstgärten erwerben: so den Tanzergarten in zwei Teilen und den Ringelgarten. Überdies bepflanzte er den Rand der Grundfeldwiese und andere Raine mit Obstbäumen. Die Veredelung von Wildlingen betrieb er mit Eifer. Seine Lieb­lingssorten waren die Grazer Marschanzger und die Haseläpfel. Der Erlös aus dem Obstbau war, wie begreiflich, verschieden groß. Manches Jahr bedeutend und für die Wirtschaft eine wesentliche Hilfe, manches Jahr wieder gleich Null, was einen empfindlichen Ausfall für die Wirtschaft bedeutete. Im Durchschnitt konnte doch mit einer mittelmäßigen Ernte gerechnet werden. Dagegen rentierte sich der Weinbau nicht. Die guten Weinernten waren selten, die schlechten dagegen häufig, und wenn der Wein geriet, so war es doch ein ausgesprochener Dreimännerwein. Die Arbeit aber war jedes Jahr gleich mühevoll. Das Klima war von jeher zu rau, die Gegend war von Spätfrösten, welche die Ansätze in einer Nacht vernichteten, zu sehr ausgesetzt. Später kamen noch eingeschleppte Schädlinge wie die Reblaus und der Laubbrand hinzu, was zur Auflassung sämtlicher Weingärten in der ganzen Umgebung führte.

 

 

Öffentliches Wirken

Auf Öffentliche- oder Gemeindeangelegenheiten übte Anton einen nachhaltigen Einfluss aus. Offensichtlich genoss er seitens seiner Mitbürger großes Vertrauen. Mehrmals wählten sie ihn zum Bürgermeister, so Ende der Sechzigerjahre und an­fangs der Achtzigerjahre. Einmal als Ortsschulratsmitglied von 1870 bis 1873. In der übrigen Zeit war er Ausschussmitglied, zumeist Gemeinderat. Eine maßgebende Rolle spielte er bei der Umwandlung des ehemaligen Gemeindevermögens in ein Gesellschaftsgut. In die zweite Amtsperiode als Bürgermeister fällt die Gründung der Flatzer Feuerwehr. Als ein Mitglied der Gesellschaft die Durchführung aller Beschlüsse durch sein Verhalten vereitelte, war es wieder Anton, der den Ausschluss dieses störrischen Mitgliedes zuwege brachte. In der Gemeinde gab es wegen des Gesellschaftsvermögens zwei Parteien: Die Bauernpartei, welche das alleinige Eigentumsrecht auf das frühere Gemeindevermögen gerichtlich durchzusetzen wusste, und die Partei der Kleinhäusler, welche wie die Katastralgemeinde Mahrersdorf davon ausgeschlossen war und deshalb gegen den seinerzeitigen Beschluss des Gerichtes die heftigsten Angriffe richtete. Beide Parteien bekämpften sich leidenschaftlich. Wenn diese Kämpfe, die sich besonders gegen den jeweiligen Bürgermeister richteten, eine bedrohliche Höhe erreichten, so musste Anton mehrmals als Bürgermeister die Führung der Bauernpartei übernehmen, der allein alle Angriffe sicher und wirksam abzuwehren vermochte. Sowie gegen die Kleinhäusler, so wusste er auch in der eigenen Partei seiner Meinung Geltung zu verschaffen. Gegen die Logik seiner Rede, gegen seine sachlichen Argumente in kurzer prägnanter Weise schlagfertig vorgebracht, vermochte keiner aufzukommen. So wusste er durch länger als eine Generation dem öffentlichen Leben der Gemeinde den Stempel seiner Persönlichkeit aufzudrücken.

Sparsamkeit

Ein hervorragender Charakterzug in der Gemeindeverwaltung war seine ausge­prägte Sparsamkeit. Während seiner  Amtszeit als Bürgermeister mussten alle ab­gehenden Amtsstücke in Kuverts gesteckt werden, die aus umgekehrten alten Kuverts oder anderem Papier mittels Siegellack oder Mehlpapp hergestellt waren, wenn sie auch nichts weniger als kanzleimäßig aussahen. Fertige gekaufte Kuverts zu verwenden wäre Verschwendung gewesen. Für Verbesserungen der Wege oder für andere Dinge, die Auslagen verursachten, hatte er nichts übrig, auch wenn sie noch so notwendig waren. Aber allmählich starben seine Altersgenossen weg und an ihre Stelle traten auch in der Gemeindestube jüngere Kräfte, bis von denen aus alter Zeit er allein übrig blieb. Die Jüngeren waren mit neuzeitlichen Ideen vertraut, standen den zweckmäßigen Neuerungen verständnisvoll gegenüber, auch wenn sie finanzielle Opfer kosteten, während der aus anderen Zeiten stammende Alte starrsinnig am Alten festhielt und keine Änderungen der alten Einrichtungen und Zustände zugeben wollte. Aus dem früher verdienstvollen, führenden Gemeinde-vertreter war im Alter ein Hindernis des gesunden, von allen als vernünftig gehaltenen Fortschrittes geworden. Und so geschah, was geschehen musste. Wer sich dem fortschreitenden Zeitgeist widersetzt, der wird mehr oder weniger unsanft auf die Seite geschoben, denn aufhalten lässt er sich nicht, am wenigsten von einem Einzelnen. Bei einer der nächsten Gemeindewahlen war er nicht mehr unter den Gewählten. Diesen Rat hatte ich den Jungen selbst geben müssen, als sie sich über den starren Konservatismus des Vaters bei mir beklagten. Nun konnten sie ungehindert verschiedene notwendige und nützliche Neuerungen durchführen, wie Verbesserung des Gösingweges, Fassung des Ortsbaches in ein Quadergerinne u.a. Dieses Ende seines langjährigen im Ganzen gewiss verdienstlichen Wirkens ist zwar nicht rühmlich, kann aber dem alten Manne, der ein Alter von 87 Jahren erreichte und volle 60 Jahre Bauer war, nicht verübelt werden. Der Konservatismus ist eine allgemeine Alterserscheinung. So wie er sich von der alten von Geburt an gewohnten Behausung nicht zu trennen vermochte, obwohl sie ihm über dem Kopf zusammen zufallen drohte, sowenig konnte er sich von der alten Zeit losreißen!

Das Familienleben

Aus der Ehe Antons mit Maria Woltron gingen folgende Kinder hervor:

Franz und Anton geb. am 1. April 1862.

Lorenz geb. am 14. Juli 1864.

Johann geb. am 2. Oktober 1871.

Karl geb. am 29. Oktober 1874.

Anton geb. am 8. Juni 1876.

Hiervon starben die beiden Anton schon im Säuglingsalter und zwar der erstere am 17. April 1862, der letztere am 9. Juli 1878.

Das Familienleben war nach den Erinnerungen aus meiner Jugend, abgesehen von den zwischen mir und meinem Bruder Lorenz nach Buben Art oft vorgekommenen Balgereien, ein durchaus harmonisches. Die Erziehung erinnerte in mancher Hin­sicht an spartanisches Muster. Verwöhnt und verweichlicht wurden wir Kinder weder hinsichtlich der Kleidung, noch in der Kost. Da herrschte überall Einfachheit. Lange Zeit machte der Schuster die Schuhe für beide Füße vollkommen gleich. Hatten sie sich durch längeres Tragen dem linken und rechten Fuße etwas angepasst, so mussten sie gewechselt werden, um nach der Meinung der Mutter länger zu halten, obwohl unsere Füße diese Methode sehr unangenehm fanden. Das Gewand musste der Schneider immer groß genug machen, daß es auch bei unserem künftigen Wachstum passte. Die Kost war kräftige Hausmannskost für Schwerarbeiter, die uns Kindern manchmal rauh vorkam. Kaffee gab es höchstens an Sonntagen früh. An Wochentagen bekamen wir als regelmäßiges Frühstück Einbrennsuppe oder hie und da Milchsuppe. Erstere fanden wir besonders rau, wir würgten sie widerwillig hinunter. Die Hauptkost bestand zu Mittag aus Knödeln mit einer Zuspeise, an Sonntagen auch aus Fleisch. Im Winter trat durch die Schweineschlachtungen eine wesentliche Besserung in der Kost ein. Förmliche Festtage hatten wir Buben, wenn wir eine gekochte Schweinsniere als Mittagmahl in die Schule mitbekamen. Naschereien wie Backwerk, Schokolade und andere Süßigkeiten kannten wir nicht.

Als ich im 8. und mein Bruder Lorenz im 6. Lebensjahre standen, wiesen uns unsere Eltern ein gemeinsames Bett am Dachboden an, in dem wir Winter und Sommer schlafen mussten. Dieser Bodenraum war nicht nur nicht heizbar, sondern ließ dem Winde durch die Löcher der Giebelmauer und dem handbreiten Spalt des Dachsaumes ungehindert Zutritt. Bei windigem Wetter wirbelte der Wind die Schneeflocken durch die Öffnungen in den Bodenraum, daß nicht nur der Boden, sondern auch die Tuchend mit Schnee bedeckt war.

Wenn wir im Winter spät abends die warme, geheizte Stube verlassen mussten, um unser eiskaltes Bett aufzusuchen, da warf es uns, auch wenn wir die Tuchend über den Kopf gezogen hatten, erst eine Weile vor Kälte förmlich in die Höhe. Es dauerte aber nicht lange, so schliefen wir wie Königskinder in einem Palast.

Abendunterhaltungen

Die langen Winterabende spielten überhaupt in der Familie eine besondere Rolle. Das Licht hierzu lieferten anfangs die selbst gegossenen Kerzen. Eines Sonntags aber brachte der Vater aus Neunkirchen die erste Petroleumlampe mit blauer Kugel mit. Es war eine Lampe mit Größe Nr. 5, aber wir bestaunten das herrliche Licht und den gewaltigen Fortschritt in der Lichttechnik. Sie war es, die uns für viele Jahre „des Lichts gesellige Flamme war“. Sie wurde über dem kleinen Ofentisch aufgehängt und um diesen Tisch sammelte sich die Familie täglich zum Essen und nachher zur Unterhaltung. Diese bestand gewöhnlich in einer Vorlesung aus einem Buche der Schulbibliothek. Am meisten fesselten uns die Bücher aus der Geschichte der alten Deutschen, allen voran von Hermann, ihre Mythologie, dann die Bücher von Luise Pichler, darunter besonders wieder Kaiser Rotbart, die Nibelungensage, überhaupt Heldensagen, Kaiser Karl der Große, die Artusrunde, die Heymonskinder, der große Fritz, Kaiser Josef, Napoleon, die Befreiungskriege, Geschichten von den Türkenkriegen mit Prinz Eugen und von Radetzky, aus der griechischen Geschichte besonders eingehend vom Trojanischen Krieg, die Odysseen, damit zugleich die griechischen Mythologien. Unter den Entdeckern fand Kolumbus das größte Interesse. Aus diesen Büchern wurde täglich ein Stück vorgelesen. Die anderen hörten aufmerksam zu. Bei gewissen Stellen wurde innegehalten, und dann wurden die Meinungen ausgetauscht. Vor Beginn der Vorlesungen wurde der bereits früher vorgenommene Stoff wiederholt und die Anknüpfung hergestellt. So wurde der ganze Inhalt geistiges Eigentum der Tischrunde. Es wird wohl wenig Bauernfamilien gegeben haben, die mit den wichtigsten Kapiteln der deutschen Geschichte und den griechischen Heldensagen so vertraut waren wie wir. Es waren ideale, geistig hochstehende Abendunterhaltungen, auf die wir uns alle freuten.

Seltene Überraschung

An einem Jänner Abend des Jahres 1874 gab es eine besondere Überraschung. Es war sonntags, als Vater und ich von einem Spitalbesuch eines Verwandten aus Wr. Neustadt heimkehrten. Die Mutter trug uns das aufbewahrte Mittagessen auf, wobei stets ein eigenes Schmunzeln ihre Lippen umspielte. Wie wir uns nun das Mahl recht gut schmecken ließen, servierte sie auch die neueste Neuigkeit, die sich während unserer Abwesenheit zugetragen hatte. „Nun wisst ihr auch, was es Neues gibt?“. Unsere Gesichter waren ein einziges großes Fragezeichen: „Nun was denn?“ „Der Ähnl heiratet“ Das war wie eine Bombe, und wenn uns dabei der Löffel nicht aus der Hand fiel, so war es schier ein Wunder. Es war zu überraschend, als daß wir die ungläubigen Mienen verhalten konnten. Vater bedurfte förmlich einer Haltung, um zum zweiten Male zu fragen: „Ja wen denn nun?“ „Die Ahnl!“

Das waren zwei Bomben! Lange konnten wir uns vom herzlichen Lachen nicht erholen. Daß der Ähnl die Ahnl heiratet, scheint im ersten Augenblick so selbstverständlich zu sein, war aber in diesem Falle doch etwas äußerst seltenes. Denn es handelte sich um den Ähnl väterlicherseits und die Ahnl mütterlicherseits. Diese wurden an diesem Sonntag von der Kanzel zur größten Verblüffung der Pfarrgemeinde verkündet. Am nächsten Tage Montag früh fand die Trauung der Brautleute statt, wobei der Sohn der Braut als Trauzeuge fungierte. Auf Freud folgte Leid. In einem der nachfolgenden Sommer erkrankte unsere ganze Familie an Nervenfieber, recte Kopftyphus, aber nicht gleichzeitig, sondern der Reihe nach. Nach meiner Erinnerung wurde ich von der Epidemie zuerst erfaßt. Kaum war ich nach vier oder fünf Wochen wieder hergestellt, erkrankte mein Bruder Lorenz, nach dessen Genesung der Vater und zuletzt die Pflegerin aller, die Mutter. Bei allen war der Krankheitsverlauf der gleiche, auch die Krankheitsdauer. Merkwürdigerweise erfolgten die Erkrankungen so der Reihe nach, daß nie zwei zu gleicher Zeit krank waren. Immer legte sich das eine Familienmitglied erst nieder, wenn das andere das Krankenlager verließ. Am ärgsten soll es nach Aussagen der Mutter den Vater angepackt haben. Aber alle brachte unser Hausarzt Dr. Wallnöfer aus Ternitz wieder auf die Beine. Er war ein Tiroler von Geburt und ließ sich die ärztliche Behandlung seiner Patienten äußerst gewissenhaft angelegen sein. Wenn die Mutter in ihrer Sorge um ihre Pfleglinge schier verzagen wollte, tröstete er sie mit den Worten: „Nu, nu, es ischt nit glei gschturben.“ Sein Hauptmedikament war das bittere Chinin, mit dem er dem hohen Fieber stets erfolgreich zu Leibe rückte.

Zu jener Zeit gab es in Flatz überhaupt viele Kranke, die seine Hilfe in Anspruch nahmen, was ihn zu dem Ausspruche veranlasste:

„In Flatsch blueth mei Woatsch (Weizen).“

Es war jedoch durchaus nicht so egoistisch gemeint, wie es scheinen mochte. Er war vielmehr wegen seiner Menschenfreundlichkeit von der Arbeiterschaft und der übrigen Bevölkerung gleich hoch geschätzt. Damals waren die Typhusbazillen noch nicht entdeckt, weshalb es auch noch keine, der für die infizierten Häuser so lästigen öffentlichen sanitären Maßnahmen gab. Die Epidemie erlosch auch ohne sie.

Abschied vom Vaterhaus

Im September 1877 verließ ich dauernd das Vaterhaus. Der Vater hatte über Anregung des Oberlehrers Franz Mölzer um meine Aufnahme in das Lehrerseminar in Wr. Neustadt angesucht, mit gleichzeitiger Verleihung eines Stipendiums. Ein solches erhielt ich zwar nicht, aber als Externist wurde ich doch aufgenommen. Aus unbekannter Ursache wurde Vater hiervon nicht verständigt.

Da der allgemeine Schulbeginn aber schon herangerückt war, erkundigte sich Vater bei Herrn Inspektor Ekhart in Neunkirchen, ob ihm noch keine Erledigung seines Aufnahmeansuchens zugegangen sei. Und da hörte er, daß ich als Externist aufgenommen sei und mich schon morgen anlässlich des Schulbeginnes bei der Direktion zu melden habe. So musste ich das Elternhaus förmlich Hals über Kopf verlassen, um nur gelegentlich oder in den Ferien wiederzukehren. In den wirklichen Verband der Familie trat ich nie wieder ein.

 

Tod meines Bruders Lorenz

Während meiner Studienzeit ereignete sich mit Ausnahme des Todes meines zweijährigen Brüderchens Anton im Jahre 1878 nichts Besonderes. Dagegen wurde die Familie im Jahre 1883 durch ein Unglück schwer getroffen, indem Bruder Lorenz am 20. September im 19. Lebensjahre tödlich verunglückte. Lorenz arbeitete auch öfters außer Hause, um sich eigenes Taschengeld zu verdienen, so auch beim Pecher und Holzhändler Tanzer. Dies war auch am 20. September 1883 der Fall. Zunächst ging er mit Tanzer in den Bromberg, um dort zu pechen. Nach kurzer Arbeit fiel es Tanzer ein, diese Arbeit zu unterbrechen und mit Lorenz in die Kehr zu gehen, um dort Bäume zu fällen. Sie hatten erst einige Bäume umgeschnitten, da ereignete sich schon das Unglück. Sie schnitten wieder einen Baum um und ließen ihn über einen schon liegenden Baum fallen. Lorenz beging die Unvorsichtigkeit, dabei auf seinem Platze stehen zu bleiben und nicht zurückzuspringen. Das dicke Ende des fallenden Baumes schnappte in die Höhe und traf Lorenz beim Niederfallen auf die Brust, daß er rücklings zu Boden stürzte. Er konnte nur noch ausrufen: „Mein Gott, was ist das heut mit mir?“ und gab bald darauf den Geist auf. Äußerlich erkannte man nur geringe Verletzungen, der schwere Schlag des fallenden Baumendes muss ihm aber innerlich schwere Verletzungen zugefügt haben. Tanzer konnte den Eltern nur die furchtbare Todesnachricht überbringen, und man kann sich leicht deren Bestürzung ausmalen. Es war ein Donnerstag, Samstag darauf fand das Begräbnis statt.

Tod des Großvaters

Der nächste Trauerfall in der Familie ereignete sich am 23. August 1888, als unser Großvater im 84. Lebensjahr starb. In seinem Testamente hatte er den Vater zum Universalerben seiner an andrer Stelle angeführten Hinterlassenschaft eingesetzt, der Tochter Maria Kauz ein Legat von 700 Fl. und deren Kindern Barbara Kauz und Johann Scheibenreif je 50 Fl. testiert.

Mutters Krankheit und Tod

Von da ab verlief das Familienleben im Elternhause durch zehn Jahre ohne besondere Ereignisse, wenn man von meiner Verheiratung und der Geburt eines Enkelkindes in Trattenbach absieht. Jedoch blieb der Himmel nicht wolkenlos. In den letzten Jahren machte die Lungentuberkulose der Mutter immer bedenklichere Fortschritte und warf für die Zukunft düstere Schatten voraus.

Nach längerem Siechtum, in dem sie zumeist das Bett hüten musste, erlag sie am 11. Jänner 1898 im 62. Lebensjahr ihrem Leiden. Bei der Verlassenschaftsabhandlung lag eine letztwillige Anordnung der Mutter vor, nach welcher der Vater Universalerbe sein soll, wir drei Söhne aber jeder je 500 Fl. erhalten sollen. Da im Ehevertrag das gesetzliche Erbrecht im Sterbefall eines Eheteiles bestimmt war, war das Testament nur im Falle unserer Zustimmung gültig. Obwohl die gesetzlichen Erbschaftsbestimmungen für uns günstiger gewesen wären, willigten wir doch aus naheliegenden Gründen in die für den Vater günstigere testamentarische Verfügung ein.

Im Witwerstand

Von nun versah eine Dienstmagd die häusliche Wirtschaft, und als diese heiratete, deren Schwester bis zu seinem Tode, beide insgesamt 24 Jahre. Obwohl meine beiden Brüder zur Hausübernahme fähig gewesen wären, konnte er sich doch nicht entschließen, das Hausregiment aus der Hand zu geben, wie dies in solchen Fällen üblich war. Dies war ihm schlechterdings unmöglich, daß ein anderer an seiner Stelle regierte, und er auf die Seite treten musste, daß er nicht mehr nach langjähriger Übung die maßgebende Person im Hause sei, daß er weder im Häuslichen noch in der Gemeinde etwas dreinzureden hätte, das war für ihn undenkbar. Seine Anschauung hierüber drückte er kurz mit dem Spruch aus:

„Übergeben und nimmer leben!“

oder auch:

„Auf einen Ausnehmer hält man nicht viel!“

Damit war für ihn eine Anspielung hierauf erledigt. Dabei blieb er auch, trotzdem er unserem Bruder Johann die Hausübergabe im nächsten Jahre, bei seiner Heirat, so halb und halb zugesagt hatte.

 

Die Heirat Bruder Johanns

Ernster schien es mit Vater zu stehen. Er lag regungslos am Rücken, kreidebleich im Gesicht und gab auf die Frage, ob ihm etwas fehle, keine Antwort, denn er war infolge der schweren Gehirnerschütterung ohnmächtig. Endlich kam er soweit zu sich, um sprechen zu können. An den Vorfall konnte er sich jedoch nicht erinnern und fragte beständig: „Ja was ist denn geschehen?“ Nach vielen Bemühungen konnten wir ihn auf die Beine bringen und zur allgemeinen Genugtuung feststellen, daß ihm nichts gebrochen sei, und er auch keine inneren Verletzungen davongetragen hatte. Mit dieser Beruhigung konnte die Hochzeitsgesellschaft die Reise fortsetzten, während ich und noch ein Herr den Vater am Arm führend nach Hause begleiteten und zu Bett brachten. Es war wirklich glimpflich ausgegangen, aber noch am anderen Tage war sein Gedächtnis noch nicht soweit zurückgekehrt, daß er sich an das Geschehen erinnern konnte. Wir zurückgebliebenen gingen den anderen über Reith nach und holten sie in Würflach ein, wo wir ihnen die beruhigende Nachricht bringen konnten, daß alles gut ausgegangen sei. Das Pferd war gleich nach dem Umsturz auf der Wiese nebenan stehen geblieben, um zu grasen. Am Wagen war nur die Stange gebrochen. Die Grünbacher Hochzeitsgesellschaft hatte begreiflicher Weise unser langes Ausbleiben mit Sorge erfüllt. Nun konnte die Hochzeit mit einiger Verspätung stattfinden. Der Vater brauchte über eine Woche, um sich wieder völlig zu erholen. Nach dem das Ehepaar ein halbes Jahr im Vaterhause gelebt und vergebens auf die Hausübergabe gewartet hatte, gelang es ihm, das Gemeindegasthaus käuflich zu erwerben und so eine eigene Existenz zu gründenm Jahre 1899 feierte Bruder Johann Hochzeit mit der Bauerstochter Juliana Schwaighofer aus Grünbach, und zwar aufgrund der erwähnten Zusage des Vaters. Die Hochzeit wurde in Grünbach gefeiert. Die Flatzer Verwandten sammelten sich in Flatz auf pferdebespannten Steirerwagen. Auch Vater mit seiner Flora hatte sich zur Fahrt gerüstet. Die Flora war sonst ein lammfrommes Tier, hatte aber den Ehrgeiz im Zuge keinen anderen Wagen vor sich zu sehen, sondern immer als erste fahren zu wollen. Dies war an diesem Tage umso mehr der Fall, als sie mehrere Tage vorher nicht eingespannt, daher vollkommen ausgerastet war. Diesmal war Vaters Wagen in der Mitte des Zuges. Kaum hatte sich der Zug in Bewegung gesetzt, so ging sie mit dem Wagen durch, um den anderen vorzufahren. Vater, ohnehin kein geschulter Pferdelenker, konnte auf seinem improvisierten Sitze, ohne festen Anhalt, das Pferd nicht mehr zügeln. Soweit der Weg breit genug war, ging es noch ohne Malheur. Bei der Brücke des Kirchenweges wollte aber Flora gleichfalls einem Wagen vorfahren. Da aber die Brücke für zwei Wagen zu schmal war und zudem kein Geländer hatte, kamen die rechten Räder über den Rand der Brücke hinaus, der Wagen stürzte und Vater flog mit den beiden anderen Insassen in weitem Bogen hinunter. Die ganze Reisegesellschaft war entsetzt. Die beiden Insassen, jüngere Leute, konnten sich bald wieder erheben und trugen, abgesehen von den beschmutzten Kleidern, keine schweren Folgen davon.

Die Heirat des Bruders Karl

Im Jahre 1903 verließ auch der zweite Bruder Karl das Elternhaus, indem er auf ein Haus in Puchberg heiratete. Vater war damit nicht recht einverstanden, da er ja dadurch auch den dritten Sohn als häusliche Hilfskraft verlor, noch dazu den, der sein Nachfolger werden sollte. Da ihm die Mutter seiner neuen Schwiegertochter förmlich das Ultimatum gestellt hatte, entweder solle er den jungen Eheleuten das Haus übergeben oder sonst nehme sie den Schwiegersohn in ihr Haus, sie könne ihn schon brauchen, war er darüber, dass man ohne ihn viel zu fragen, über seinen Sohn verfügte, sehr verstimmt und machte gar keine Zusage, ging auch nicht auf die Hochzeit. So trug es sich, dass er bei keinem seiner drei Söhne der Trauung beiwohnte. Sein Verhältnis zu den Puchbergern war daher lange Zeit ein gespanntes, aber es milderte sich allmählich und machte sogar einem freundschaftlichen Platz, als sich beiderseits die Einsicht durchrang, wie zweckmäßig eine gegenseitige Hilfeleistung durch Aushilfen in landwirtschaftlichen Erzeugnissen, wie Vieh, Zugtieren, Futter, Körner, Obst, Most, Samen u. dgl. sei. Zuletzt lernte Vater die beiden „Weiber“ (die Schwiegertochter und ihre Mutter) als tüchtige Wirtschafterinnen schätzen, denn das ging ihm über alles. Wer gut wirtschaften konnte, dem gehörte seine volle Sympathie. Und so arbeiteten sie zu ihrem Nutzen einander fortan in die Hände. Karl arbeitete so oft als es möglich war, auch in Flatz mit, bis der Krieg ausbrach, denn da musste er einrücken.

Karl im Krieg

Anfangs schrieb er noch öfter an seine Verwandten. Vom 14. Dezember 1914 an blieben die Nachrichten aus. Das angerufene Rote Kreuz zog Erkundigungen ein, konnte aber nur feststellen, daß der Vermisste weder in der Liste der Gefallenen, noch in der Liste der Gefangenen vorkomme, auch nicht in der Liste der Spitalspfleglinge. Den Vermutungen war freiester Spielraum gegeben. Die Kriegskameraden sprachen sich widersprechend aus. Manche wollten von anderen gehört haben, daß er gefallen sei. So vergingen sechs Monate, ohne daß eine verlässliche Nachricht über sein Schicksal zu erlangen war. Endlich kam Ende Juli eine Karte von ihm, daß er noch in Lemberg und durch die Österreicher befreit worden sei. Das enthielt wieder eine Menge Rätsel. Erst nach längerer Zeit klärte sich sein Schicksal in der rätselhaften Gefangenschaft auf. Er geriet am 14. Dezember 1914 bei Sandez unverwundet in russische Gefangenschaft und wurde mit vielen anderen Gefangenen durch ganz Galizien nach Russland abtransportiert. Als sie durch Lemberg zogen, ging er als Letzter eines vom russischen Militär schlecht bewachten Zuges. An allen Türen und Toren der beiderseitigen Häuserreihen standen die Leute und sahen dem traurigen Zuge der österreichischen Gefangenen zu.

Da bemerkte Karl, wie ihm eine Zuseherin aus einer Tür zuwinkte und schnell gefasst benutzte er den günstigen Augenblick und entschlüpfte durch die Tür, von der begleitenden Wachmannschaft völlig unbemerkt. Die gutherzigen Leute verbargen ihn so gut sie konnten und gaben ihm zu Essen so lange es ihnen möglich war. Als später das Haus öfters überraschend durchsucht wurde und Karl, wie seine Schutzleute, nicht mehr sicher war, übergaben ihn diese für eine Zeitlang einer anderen Partei und so musste er sein Versteck öfters wechseln, manchmal auch eine Scheune außerhalb der Stadt wählen.

Aber verständigen konnte er uns nicht. Erst als Lemberg im Juni 1915 von den Österreichern und Deutschen wieder zurückerobert wurde, und er sich wieder melden durfte, konnte er uns Karten schicken, die wegen ihrer Kürze mehr Rätsel als Worte enthielten. Aus weiteren Karten ging hervor, daß er zum Kader nach Wien komme, um neu zugeteilt zu werden. Antwort und Geld erbat er sich durch eine andere Adresse. Später schrieb er, daß er auf dem Transport ruhrkrank geworden sei. Er kam in verschiedene Spitäler und Rekonvaleszenzheime. Nach seiner Wiederherstellung schickte man ihn an die italienische Front, wo er am 11. August 1916 am Plöckenpasse durch einen Halsschuss schwer verwundet wurde. Die feindliche Kugel war ihm mitten durch den Hals gegangen, ohne ihn aber lebensgefährlich zu verletzen, so unglaublich dies auch scheinen mag. Er musste viele Schmerzen ausstehen, nicht nur an den Wunden, sondern auch wegen eines alten, jetzt wieder neu auftretenden Magenleidens. Sein Zustand war lange Zeit sehr kritisch, doch genas er nach langer Zeit vollends wieder und brauchte nicht mehr einzurücken. Diese Nachrichten über seine schweren Verwundungen wie auch die langen, nachrichtenlosen Zeiten erfüllten Vater und uns Brüder mit schwerer Sorge.

Vaters letzte Lebensjahre

Wie alle anderen hatte auch Vater unter den vielfachen Kriegsnöten und Drangsalen viel zu leiden. Seinem Hasse gegen das Kriegführende konnte er nicht scharf genug Ausdruck geben: „Aufhören sollen’s!“ war seine stets geäußerte Ansicht. Als einfacher Mann aus dem Volke konnte er das lange Kriegführen nicht verstehen und wusste gar nicht, wie schwer auch das Aufhören in solchem Falle ist, dass es mit der Annahme aller vom Feinde auferlegten Friedensbedingungen identisch ist. Er erlebte wohl das Kriegsende noch, nicht aber das Eintreten besserer Zeiten. Er wurde öfters bettlägerig, konnte nichts arbeiten, an ein Übergeben dachte er aber trotzdem nicht, sondern regierte die Wirtschaft vom Bette aus. Man kann sich denken, wie es da bei unzureichenden Arbeitskräften aussah. Am 20. Jänner 1922 streifte ihn ein Schlaganfall. Es traten teilweise Lähmungen ein, die Gehirnfunktionen und das Sprachvermögen, wie auch das Sehvermögen waren gestört, der Appetit war weg, ein großer Kräfteverfall war zu bemerken. Der Zustand besserte sich in nächster Zeit wohl vorübergehend, auch das Bewusstsein kehrte wieder, allein von Dauer war die Besserung nicht. Am 18. Februar erlag er einem neuerlichen Schlaganfall.

Er war 87 Jahre 22 Tage alt geworden. Mit ihm war ein Stück Flatz dahin gegangen. Er war 61 Jahre Bauer, Zeitgenosse zweier Generationen und daher wie kein Zweiter mit der Dorfgeschichte in der Gemeinde vertraut.

Er wurde nicht nur von der Verwandtschaft, sondern von der ganzen Gemeinde, ja darüber hinaus von allen Bekannten aus der ganzen Umgebung, der

„Toni-Vetter“

genannt. Unter diesem ehrenden Namen war er bei Alt und Jung förmlich bezirksbekannt. Das Begräbnis fand unter überaus großer Beteiligung der Bevölkerung statt. Pfarrer Fischer gestaltete das Begräbnis, dem überragenden Ansehen des Verstorbenen entsprechend, über die herkömmlichen Formen hinaus, besonders feierlich. Den Nachlass verteilte Vater testamentarisch derart, dass er Karl das Haus vermachte, mir den Ringelgarten, 1/3 des Spiegelwaldes und die Hälfte des Spiegelackers und überdies vom Koliholz das Bauholz, dem Bruder Hans den Angeracker, das Krachlerackerl, 1/3 des Spiegelwaldes und die Hälfte des Spiegelackers, den Enkelkindern Lorenz und Maria den Webermichlacker gemeinsam.

Die übrigen Zweige des Scheibenreifstammes

  1. a) Anton, Nr. 3 – 1812-1843

Bruder des Michael, des ersten Seitenzweiges des Hauptstammes der Scheibenreif, wurde durch Heirat der Bäuerin-Witwe Apollonia Aichberger Bauer auf dem Hause Nr. 3. Von den fünf Kindern (3 Söhne und 2 Töchter) starben Martin und Georg in der Jugend. Die ältere Tochter Maria heiratete den Bauer Johann Riemer in Rohrbach, die jüngere Theresia, den Patritz Bauer in St. Johann. 1839 starb ihm sein Weib, worauf er 1843 das Haus dem Sohn Johann abtrat. Anton wurde 91 Jahre alt und starb 1876.

  1. b) Johann, 1843-1887

Johann heiratete 1843 eine Maria Haberler aus Rohrbach. Aus ihrer Ehe gingen vier Kinder hervor. Josef, Simon, Maria und Anna.

1) Josef heiratete 1873 die Maria Rasner auf Haus Nr. 20 in Raglitz. Er hatte neun Kinder und bei Lebzeiten achtzehn Enkelkinder. Diese verbreiteten den Scheibenreif-Stamm in Raglitz, Hettmannsdorf und in der ganzen Umgebung, ja über das Steinfeld bis gegen Oberwaltersdorf und Pottendorf. Sein Sohn Lorenz musste bei Ausbruch des Krieges zum Militär einrücken und wurde der Überwachungsabteilung der Semmeringbahn zugeteilt. Weil er jedoch schwerhörig war, wurde er 1914 bei einem Dienstgang vom Zuge erfaßt und tödlich verwundet. Josef übergab das Haus 1914 und starb 1918.

2) Die Tochter Maria heiratete 1879 den Buchbinder Karl Woltron in Wien.

3) Anna den Arbeiter Leopold Scheibenreif.

4) Simon wurde 1887 Nachfolger.

5) Johann starb 1891, 72 Jahre alt.

  1. c) Simon, 1887-1914

Simon vermählte sich 1887 mit Anna Dorfmeister aus Würflach. Er vergrößerte den Besitz durch Ankauf des Tanzerischen Nachbarhauses Nr. 2 nebst den schönsten Grundstücken, so daß das Haus zum größten Anwesen des Ortes wurde und es auch blieb, als er später das Haus Nr. 2 allein wieder verkaufte. Dadurch geriet er wohl in eine ziemliche Verschuldung, aus der sich aber seine Besitznachfolger infolge der eingetretenen Inflation auf leichte Weise herausarbeiten konnten. Der Ehe entstammten ein Sohn und zwei Töchter. Leider wurde ihm der Sohn 1912 im Alter von 24 Jahren infolge Unkenntnis des Arztes durch den Tod jählings entrissen. Da er selbst auch schon 1914 starb, erlosch der Mannesstamm der Scheibenreif auf diesem Hause, auf dem er 102 Jahre bestanden hatte. Das Haus ging auf die Tochter Anna über, die sich 1919 mit Matthias Harruck, Bauer in Flatz Nr. 13 vermählte, während die ältere Tochter Maria schon 1914 auf ein Haus in Rohrbach geheiratet hatte.

  1. II) a) Johann, Nr. 11, 1826-1871

Der nächste Seitenzweig des Hauptstammes war Johann, der älteste Sohn des Michael Scheibenreif Nr. 23, welcher 1826 das Haus Nr. 11 erwarb und sich mit Elisabeth Woltron von Raglitz Nr. 16 verheiratete. Auf dem Haus scheint schon damals das Gastgewerbe bestanden zu haben, da sein Besitzvorgänger Peter Wurz anlässlich seiner Verheiratung 1809 schon Bauer und Wirt genannt wurde. 1841 verheiratete sich Johann in zweiter Ehe mit Maria Postl. Aus 1. Ehe gingen die Töchter Maria und Theresia, aus 2. Ehe der Sohn Lorenz hervor. Maria hatte einen außerehelichen Sohn Johann, welcher später das Haus Nr. 5 in St. Lorenzen erbaute, hernach das Bauernhaus Nr. 9 in Mahrersdorf dafür eintauschte und dort 1932 als Bauer und Wirt starb. Seine Mutter hatte in jungen Jahren einen Kleinbauern Kronaus aus Seebenstein geheiratet. Die Tochter Theresia heiratete 1858 den Bauern Matthias Reiterer Nr. 15 und nach dessen Tode den Josef Posch. Dem Sohn Lorenz übergab er 1871 das Haus und starb wie sein Bruder Anton im Jahre 1881.

  1. II) b) Lorenz, 1871-1904

Lorenz heiratete 1871 die Schneiderstochter Aloisia Schober aus St. Johann. Er erwarb auch den Gemischtwarenhandel. Unter ihm nahm das Gastgewerbe einen solchen Aufschwung, daß das kleine Lokal nicht mehr genügte. Er richtete die Gastwirtschaft durch einen umfassenden Umbau des Hauses neu ein, baute auf den erweiterten Keller einen Tanzboden, stellte im Obstgarten eine große Zahl einfach gezimmerter Tische auf, um dem oft massenhaften Besuch von Gästen zu entsprechen. Es wurde das bestbesuchte Gasthaus der ganzen Umgebung. Auch das Ausnahmstübl baute er aus Steinen neu auf und richtete es wohnlich ein. Eine Periode hindurch war er auch Bürgermeister. Seine Tochter Barbara verheiratete er an den Weinhändler Franz Just in Enzenreith, dem Sohn Anton übergab er 1904 das Haus. Er starb im gleichen Jahr. Seine Witwe wurde im Alter geisteskrank.

  1. II) c) Anton, 1904-

Anton nahm sich die Bauerstochter Maria Kargl aus Straßhof zur Gattin. Er baute den Hausstock von Grund, den Erfordernissen eines modernen Gasthauses entsprechend, neu auf und gab den Gemischtwarenhandel auf. 1915 heiratete seine Tochter Marianne den Gastwirt Johann Dobler in Neunkirchen. In den Dreißigerjahren wurde in seinem Lokal eine Fernsprechstelle eingerichtet. Außer der erwähnten Tochter hat er auch zwei Söhne, Anton und Franz.

III) a) Anton I, in Reith Nr. 5, 1830-1866

Einen weiteren Seitenzweig bildete Michaels dritter Sohn Anton, welcher im Jahre 1830 auf das Haus Nr. 5 in Reith, eine Barbara Pinkl, heiratete. Es war das größte Haus in Reith und das zweitgrößte in der Gemeinde. Seine Tochter Maria heiratete den Bauern Matthias Pfarrer in Grünbach, seine 2. Tochter Theresia den Bauern Franz Woltron in Raglitz, Bruder unserer Mutter. Der einzige Sohn Simon übernahm 1866 das Haus. Anton starb 1881.

  1. b) Simon, 1866-1900

Simon führte die Bauerstochter Magdalena Weißenböck von Rohrbach heim. In zweiter Ehe nahm er Franziska Pinkl zum Weibe. Von seinen sieben Kindern heiratete die Tochter Maria den Bauern Anton Pfarrer in Grünbach, auf dasselbe Haus wie seine Schwester Maria. Simon starb schon 1900 im 63. Lebensjahre.

  1. c) Anton II, 1900-1934

Auf Simon folgte dessen 21jähriger Sohn Anton, welcher eine Susanne Piribauer aus Haßbach ehelichte. Auch seiner Ehe entstammten sieben Kinder, 4 Töchter und 3 Söhne. Ein Sohn heiratete auf ein Haus in Hintenburg, den jüngsten Sohn Alois ließ er eine Ackerbauschule besuchen. Dieser wurde später Obmann des Fortbildungsvereines von NÖ. 1934 übergab er ihm, der schon 1932 auf ein Haus in Ramplach geheiratet hatte, auch sein Haus, auf welches er auch zog.

  1. d) Alois, 1934-1975

Im Jahre 1935 wurde Alois durch Ernennung auch Mitglied des niederösterrei­chischen Landtages.

  1. IV) a) Lorenz Nr. 23, 1839-1863

Lorenz der jüngste Sohn und Nachfolger Michaels auf dem Hause Nr. 23 war eigentlich ein Glied des Hauptstammes der Scheibenreif nur gegenüber der Linie Nr. 27 ein Nebenzweig. Er hatte das Haus im Jahre 1839 übernommen und zugleich eine Anna Maria Rasner geheiratet. Auch er repräsentierte den reichsten, angesehensten Bauern des Dorfes. Denn der größte Teil des Besitzes des Michael Scheibenreif war auf ihn übergegangen, auch er war die längste Zeit Richter oder Bürgermeister, aber die überragende patriarchalische Geltung wie sein Vater besaß er freilich nicht mehr. Er wirtschaftete auch nur 24 Jahre und starb schon 1863 im 51. Lebensjahre. Von vier Kindern überlebten ihn drei Söhne. Michael 23 Jahre alt, Lorenz 14 Jahre und Matthias 10 Jahre alt. Aber alle waren kränklich veranlagt. Die Witwe fand es daher geraten, die Wirtschaft vorderhand nicht zu übergeben, sondern selbst weiter zu betreiben. Wirklich raffte der Tod den ältesten Sohn Michael schon 1867 im Alter von 26 Jahren hinweg. Mit der Wirtschaft ging es langsam abwärts, und die Wohlhabenheit schwand zusehends. Im Jahre 1870 beschloss auch die Mutter ihr Dasein, zwei minderjährige, brustkranke Söhne hinterlassend.

  1. IV) b) Lorenz II, 1870-1874

Nach dem Tod der Mutter übernahm Lorenz das Haus, während Matthias das Ausnahmstübl Nr. 36 erbte. Das jugendliche Alter, die geschwächte Gesundheit und mangelnde Willensstärke wirkten nachteilig auf die Wirtschaftsführung ein Schon 1870 begann Lorenz mit Grundverkäufen. 1873 heiratete er die verwitwete Wirtin Anna Lackner mit drei Kindern, sein Bruder im gleichen Jahre die Bauerstochter Maria Wallner. In den vier Jahren seiner Selbständigkeit hauste das Haus auf den Rang eines mittelgroßen Bauernhauses herab und neun Monate nach seiner Heirat wurde er ein Opfer der Tuberkulose. Da er keine Kinder hatte, fiel sein Vermögen der Witwe zu. Der Stamm der Scheibenreif erlosch daher nach 106jährigem Bestand auf dem Hause. Matthias lebte noch fünf Jahre und starb 1879, gleich seinem Bruder, im 26. Lebensjahre. Mit ihm war auch der männliche Stamm der Scheibenreif von Nr. 23 erloschen, denn er hinterließ nur eine Tochter.